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Berlin: Steffels kritische Masse

In der CDU fühlen sich viele von ihrem Fraktionschef überfahren und denken schon an seine Abwahl

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Über Frank Steffel braut sich ein Ungewitter zusammen, das den CDU-Fraktionsvorsitzenden nach der Bundestagswahl vorzeitig das Amt kosten kann. In der Abgeordnetenhausfraktion, aber auch in den Kreisvorständen der Union gelangt man zunehmend zu der Überzeugung, dass der Führungsstil Steffels unakzeptabel und schädlich ist. Über eine Neubesetzung des Fraktionsvorsitzes bereits vor der turnusmäßigen Neuwahl 2003 wird diskutiert. Ein Gegenkandidat soll rechtzeitig aufgebaut werden „und dann hat Steffel in der Fraktion keine Mehrheit mehr“, sagt ein einflussreicher Gegenspieler des Fraktionschefs, der in allen Meinungsumfragen auf keinen grünen Zweig kommt.

Der neue CDU-Parteichef Christoph Stölzl sah sich angesichts der innerparteilichen Querelen gezwungen, für den heutigen Mittwoch eine „Besprechung“ des CDU-Landesvorstands einzuberufen. „Weil so viel Unerwartetes passiert ist.“ Seit Beginn der Sommerferien sei es in der Union zu „Kettenreaktionen von Überflüssigkeiten“ gekommen, sagte Stölzl dem Tagesspiegel. Über die Motivationslage der Beteiligten könne er nur rätseln. Was sind das für Überflüssigkeiten?

Zum Beispiel hatte sich Fraktionschef Steffel, ohne die eigenen Fachsprecher oder den Landesvorsitzenden zu kontaktieren, vom Urlaubsort aus für die Homo-Ehe und für die Unterstützung der Bürgerinitiative „Berliner Bankenskandal“ ausgesprochen. Sein Fraktionsgeschäftsführer Nicolas Zimmer forderte sogar – ebenfalls ohne Absprachen – eine CDU-interne Sonderermittlung, um die Verantwortlichen für die Bankenaffäre in den eigenen Reihen aufzuspüren. Der Fraktionskollege Karl-Georg Wellmann wurde von Zimmer kritisiert, weil er in Personalunion den ehemaligen CDU-Fraktionschef und Bankenchef Klaus Landowsky anwaltlich vertritt.

Zimmer machte sich auch unbeliebt, als er CDU-Abgeordnete telefonisch in die Fraktionsgeschäftsstelle zitieren wollte, um die Klageschrift gegen den Landeshaushalt vor dem Verfassungsgericht zu unterschreiben. Dem schwierigen Thema angemessen wäre aber eine Sondersitzung der Fraktion gewesen, mokieren sich wichtige CDU-Parlamentarier. Im Zuge all’ dieser Nickeligkeiten fielen Parteifunktionäre ungeniert und öffentlich übereinander her. Die Kritik an Steffel richtete sich in dieser Situation weniger gegen seine umstrittenen Sachaussagen, sondern dagegen, dass er die Konflikte mit Hilfe enger Vertrauter in der Fraktionsspitze – wie Zimmer oder Frank Henkel – noch schürt.

Ausgerechnet zu Beginn des Bundestagswahlkampfes wolle sich Steffel als „neuer Liberaler“ – und sogar gegen den CDU-Landeschef Stölzl – profilieren, wird ihm von der wachsenden Schar seiner Gegner angekreidet. Er versuche, Konkurrenten in Fraktion und Partei öffentlich zu beschädigen oder intern kalt zu stellen. „Wir erfahren oft erst aus der Zeitung, was der Fraktionsvorsitzende über uns denkt; er lässt Spürsinn vermissen“, sagt selbst die Vize-Fraktionsvorsitzende Monika Grütters. Auch der CDU-Rechtsexperte Michael Braun, der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer Alexander Kaczmarek, Ex-Finanzsenator Peter Kurth oder der Jungfunktionär Mario Czaja wissen garstige Lieder über Steffel zu singen. Und es werden immer mehr. Steffel selbst will das nicht hören und spricht „von den üblichen Unzufriedenen“.

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