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Wer soll all die Kinder betreuen? In Berlin werden Kita-Plätze knapp.

© dapd

Steigender Bedarf: In Berliner Kitas könnten bis zu 15.000 Plätze fehlen

Geburtenraten und Elterngeld führen in Berlin zu einem Engpass bei der Kinderbetreuung. Die Kreuzberger Jugendstadträtin Herrmann befürchtet ein "implodierendes System".

Freie Träger und Innenstadtbezirke warnen vor einem dramatischen Mangel an Kitaplätzen. Schon jetzt gebe es Wartelisten und Eltern, die mangels Kinderbetreuung nicht arbeiten könnten. Laut einer Prognose des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müssten bis 2012 zwischen 12 000 und 15 000 neue Plätze geschaffen werden, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Dafür gebe es aber weder Räume noch Personal. Die Senatsverwaltung für Jugend nannte die Zahlen „nicht nachvollziehbar“. Sie erarbeite jetzt aber ebenfalls Prognosezahlen, „um die Bezirke bei der Kita-Entwicklungsplanung zu unterstützen“.

Für Monika Herrmann, grüne Jugendstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, kommt das Senatsengagement zu spät. „Das System implodiert“, fürchtet sie. „Wir haben aktuell 122 Kinder auf der Warteliste. Die Eltern sind völlig verzweifelt und können nicht arbeiten.“ Seit Jahren schon appelliere sie erfolglos an den Senat, endlich tätig zu werden. Die Bezirke Pankow, Lichtenberg und Mitte hätten ähnliche Problem. Der Senat begehe laut Herrmann einen Fehler, wenn er sich einseitig auf das Kita-Bauprogramm des Bundes verlasse.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband nennt mehrere Gründe für den absehbaren Engpass. Zum einen wollten die Eltern schneller in den Beruf zurück, was eine Folge der Regelungen rund um das Elterngeld sei. Zum anderen werde bezahlbarer Gewerberaum in der Innenstadt immer knapper. Verstärkt würden diese Probleme durch einen Anstieg der Kinderzahlen im betreuungsintensiven Alter.

Die Jugendverwaltung bestätigt, dass „ein verstärkter Zustrom kleinerer Kinder zu verzeichnen ist“. Mit dem Investitionsprogramm von Bund und Ländern für den Ausbau der Kitabetreuung der Unter-Dreijährigen würden aber kontinuierlich gerade für diese Kinder neue Plätze geschaffen. Zudem gebe es besondere Ausnahmeregelungen der Kindertagesstätten-Aufsicht speziell für die Innenstadt, damit auch dort Kitas gegründet werden könnten, wo die Vorschriften etwa für Grünflächen nicht erfüllt werden könnten.

Stadträtin Herrmann geht das nicht weit genug. Sie fordert, dass der Liegenschaftsfonds schneller als bisher üblich Gebäude oder Grundstücke zurückgebe. Zudem plädiert sie für ein „Kita-Sonderbauprogramm“. Zurzeit müssten freie Träger millionenschwere Kredite aufnehmen, wenn sie neue Kitas bauen wollten. Zudem müsse der Senat die Zahlungen pro Kitaplatz erhöhen. Die jetzige Pauschale gehe davon aus, dass Kitaträger 1,80 Euro pro Quadratmeter an Miete zahlten. Das sei zu gering angesetzt. Herrmann weiß von einem freien Träger, der seine Kita mit 60 Plätzen aufgeben müsse, weil die Wohnungsbaugesellschaft acht Euro pro Quadratmeter verlange.

Der Dachverband der Kinder- und Schülerläden (Daks) verzeichnet einen starken Anstieg von Eltern, die aus der Not heraus eigene Kitas gründen wollen. „Der Senat hat zu lange nicht wahrhaben wollen, dass es ein Problem gibt“, bedauert Sprecher Roland Kern. Schon für diesen Sommer erwartet er „Dramen“, wenn Eltern auf die Suche nach Kitas gehen. Einige Innenstadtbezirke seien in dieser Hinsicht „Notstandsgebiete“.

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