zum Hauptinhalt
Immer wieder werden Einsatzkräfte in Berlin attackiert.

© Sebastian Wilnow/dpa

Update

Steinwürfe und Attacken mit Pyrotechnik: „Wer Polizei und Rettungskräfte angreift, greift uns alle an“

Das Abgeordnetenhaus diskutiert über Gewalt gegen Einsatzkräfte. Die Opposition wirft dem Senat Nichtstun vor. Andreas Geisel sieht die Gesellschaft gefordert.

Von Ronja Ringelstein

Tut der Senat genug, um die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr zu schützen? Nein, ist die klare Antwort von der Berliner Opposition aus CDU, AfD und FDP im Abgeordnetenhaus. Bei der Aktuellen Stunde zum Thema „Wer schützt diejenigen, die uns schützen – immer mehr Angriffe auf Polizei und Feuerwehr“ warfen die Sprecher aller drei Fraktionen der rot-rot-grünen Koalition vor, für steigende Zahlen von Übergriffen verantwortlich zu sein. Auf der Besuchertribüne verfolgten auch Schüler und Schülerinnen der Polizeiakademie die Debatte.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Luthe, erinnerte an die Angriffe mit Pyrotechnik an Silvester auf Polizisten und Feuerwehrleute, Steinwürfe auf Einsatzkräfte wie in der Rigaer Straße. Hier tue der Senat nichts, das sei fatal. „Dafür muss man nicht auf der Regierungsbank sitzen“, sagte Luthe.

Dregger: „Muss mit aller Härte bestraft werden“

Frank Zimmermann von der SPD wies die Kritik der FDP zurück, der Senat sei für Angriffe auf Polizisten verantwortlich. Der Sozialdemokrat betonte, dass Feuerwehr und Polizisten so gut es geht geschützt werden müssten. Es sei unfassbar, wie in der Silvesternacht Polizisten attackiert worden seien. Beleidigungen, Schmähungen, offene Feindseligkeit seien inzwischen alltäglich geworden.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger erklärte, Polizei und Feuerwehr schützten die Berliner rund um die Uhr. Umso unverständlicher sei, dass sie immer häufiger zum Ziel von Angriffen würden. „Wer unsere Polizei und Rettungskräfte angreift, mit dem stimmt etwas nicht und der muss mit aller Härte bestraft werden.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Innensenator Andreas Geisel (SPD), entgegnete, es stimme nicht, dass es „immer mehr Angriffe“ gebe, in der Silvesternacht etwa hätte sich die Zahl der Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Er gab aber auch zu, dass die Angriffe eine neue Qualität hätten. Zentral sei es, den Personalbestand bei Polizei und Feuerwehr deutlich zu erhöhen, genau das sei im neuen Doppelhaushalt vorgesehen. „Wer den Kopf für uns hinhält, kann erwarten, dass wir hinter ihm stehen – und das tun wir“, sagte der Innensenator. „Wir müssen dafür sorgen, dass der moralische Kompass in einigen Teilen unserer Gesellschaft wieder eingenordet wird.“ Entschlossenes repressives Handeln sei nötig, aber es reiche nicht im Kern. „Wir können das nicht einfach an Sicherheitskräfte delegieren“, rief Geisel die gesamte Gesellschaft auf.

Nur 5 Prozent Widerstand bei Demonstrationen

Benedikt Lux von den Grünen sagte: „Polizei und Rettungskräfte schützen uns alle. Wer sie angreift, greift uns alle an.“ Vor wenigen Tagen hatte Polizeipräsidentin Barbara Slowik Zahlen veröffentlicht, nach denen es jährlich zu 7000 Angriffen auf Polizisten komme, also etwa 19 täglich. Lux betonte, trotz aller unterschiedlichen Bewertungen sei es ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen, die Einsatzkräfte besser zu schützen.

Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, sagte, er sei vorsichtig mit der Zahl von 7000 Angriffen. Da seien viele Widerstandshandlungen dabei, bei denen niemand verletzt worden ist. „Ohne das kleinreden zu wollen - Alarmismus ist nicht angebracht“, sagte Schrader. Die größte Zahl der Übergriffe finde im täglichen Dienst, bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt oder bei Verkehrskontrollen statt. Nur fünf Prozent der Widerstandsdelikte fänden bei Versammlungen statt, und weniger als ein Prozent bei Fußballspielen. „Häufig sind es Taten im Affekt, es sind Emotionen und Alkohol im Spiel. Deshalb bin ich überzeugt, dass härtere Strafen keinen Abschreckungseffekt hätten“, so Schrader.

Senat kämpft gegen Schreckschusspistolen - AfD sieht das anders

Kritischer sehe er die zunehmende Verbreitung von Schreckschusswaffen und die Bereitschaft, damit auf Menschen zu schießen. Deshalb setze sich die Koalition mit einer Initiative auf Bundesebene ein, um eine Einschränkung des Waffenrechts zu erreichen. Auch Innensenator Geisel hatte bereits zuvor gesagt, er finde es erschreckend, dass sich die Zahl der kleinen Waffenscheine nahezu verdoppelt hat.

Der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit sah das ganz anders, die Debatte um Schreckschusswaffen sei fehl am Platze. "Wenn jemand einen Waffenschein beantragt und damit zu einem Geschäft geht und sich eine Schreckschusswaffe kauft, ist das ein rechtstreuer Bürger, der sich einfach Sorgen mach um sein subjektives Sicherheitsgefühl", sagte Woldeit. Er glaube nicht, dass von denen, die sich Waffen auf legalem Wege besorgen, eine Gefahr ausgehe. "Aber genau diese Menschen wollen Sie durch Verschärfung des Waffenrechts Repressalien unterwerfen", richtete Woldeit seine Worte an den Senat. Man müsse aber gegen die Menschen vorgehen, die sich illegal solche Waffen besorgten, sagte Woldeit.

Berliner Bezirke wollen Beleidigungen gegen Mitarbeiter erfassen

Auch die Berliner Bezirke diskutieren, wie sie ihre Mitarbeiter besser vor Anfeindungen schützen können. Sie wollen Anfeindungen gegen ihre Mitarbeiter in Zukunft nun zentral erfassen. Am Freitag wollen sich deshalb die Bezirksbürgermeister im Rathaus Tiergarten treffen, sagte der Bürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Bündnis 90/Grüne), am Donnerstag.

Attacken auf Mitarbeiter im Bezirk bislang "graues Feld"

Im Moment sei das Thema Sicherheit ein „graues Feld“ und die Attacken auf Bezirksmitarbeiter würden nicht offiziell erfasst. „Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes sagen, sie haben sich inzwischen so daran gewöhnt, beleidigt zu werden, dass sie das auch gar nicht mehr melden. Das wollen wir natürlich auch nicht“, sagte Dassel. Ein einheitliches Vorgehen solle das ändern und Vergleichbarkeit zwischen den Bezirken schaffen.

Der Bezirksbürgermeister will sich mit seinen Kollegen nach eigenen Angaben auch über Sicherheitskonzepte austauschen. Es solle eine Übereinkunft aller Bezirke darüber geben, ob diese in ihren Gebäuden etwa die Taschen von Besuchern kontrollieren wollten. „Wir können unsere Gebäude nicht schützen wie einen Flughafen“, sagte Dassel. Die Bezirke könnten aber darüber beraten, ob ihre Mitarbeiter ausreichend geschult seien für gefährliche Situationen. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false