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Nach einem Todesfall stoßen Angehörige auf viele bürokratische Hindernisse.

© Getty Images/iStockphoto

Behörden in Berlin: Wochenlange Wartezeit auf Sterbeurkunde ist die Regel

Nach einem Todesfall müssen Angehörige in Berlin oft lange auf eine Sterbeurkunde warten. Doch ohne diese kann vieles nicht erledigt werden.

Margret Burgstaller* hatte sich kurz ausgeruht, jetzt war es 18 Uhr, jetzt wollte sie mit ihrem Partner zum Essen gehen. Die 70-Jährige fuhr jeden Tag 60 Kilometer mit dem Rad, sie war fit. Doch Sekunden nachdem sie aufgestanden war, brach sie in der Wohnung ihres Partners in Lankwitz zusammen. Notärzte kamen, 30 Minuten dauerten die Reanimationsversuche. Sie blieben ohne Erfolg. Vermutlich starb Margret Burgstaller, die ihre Wohnung in Wilmersdorf hatte, an einem Herzinfarkt.

Das war am 9. September. Eine Sterbeurkunde vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, das aufgrund des Orts von Margret Burgstallers Ableben dafür zuständig ist, hat Margret Burgstallers Tochter Susanne* bis heute nicht. Aber sie kann sich noch gut erinnern, was der Bestatter zu ihr gesagt hatte: „Die Ämter kommen mit den Urkunden nicht nach.“ Ein Satz wie eine finstere Drohung, wenn man nach einem Tod viele organisatorische Probleme lösen muss. Ohne Sterbeurkunde ist jemand offiziell nicht tot. Und dann, sagt eine Frau, die sich sehr gut mit der Thematik auskennt, „können Sie nichts machen. Dann sind den Angehörigen komplett die Hände gebunden.“

In Berlin sind damit vielen Menschen die Hände gebunden. Ausgestellt werden Sterbeurkunden von den zwölf Standesämtern, die Wartezeiten sind teilweise enorm. Mehrere Wochen ist bei einigen Bezirksämtern die Regel.

Versicherungen, Rente, Mietverträge

Ein Vereinsmitgliedschaft kündigen? Nur, wenn der Klub die Todesnachricht glaubt. Versicherungen auflösen? Normalerweise keine Chance. Vor allem aber: Der Ehepartner kann auch keine Witwen- oder Witwerrente beantragen. Selbstverständlich fließen auch Rente oder Gehalt weiter aufs Konto eines Verstorbenen. Beträge kann man natürlich rückbuchen, aber erst, nachdem eine Sterbeurkunde vorliegt. Man kann auch eine Wohnung kündigen, wenn sie durch den Tod nicht mehr benötigt wird. Da gelten erst mal die üblichen Kündigungsfristen. Die kann man verkürzen, dann nämlich, „wenn ein Todesfall eingetreten ist“. Nur: Den muss man mit einer Sterbeurkunde beweisen. Eine Testamenteröffnung? Unmöglich.

Bezirksstadtrat Michael Karnetzki, in Steglitz-Zehlendorf zuständig für Ordnungsangelegenheiten, teilt mit, dass im Schnitt die Bearbeitung einer Sterbeurkunde „zwischen vier und in Ausnahmefällen acht Wochen“ dauere. Im Geburten- und Sterberegister hätten jahrelang zwei feste Mitarbeiter gearbeitet. Wegen des Todesfalls eines festen Mitarbeiters wird eine Stelle wechsel- und aushilfsweise von anderen Mitarbeitern besetzt.

Auch in anderen Bezirksämtern sind die Wartezeiten lang. In Spandau, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Stephan Machulik, „dauert die Bearbeitung drei bis vier Wochen“. Zwei Mitarbeiter sind dafür eingeteilt. Die Frau, die sich mit der Thematik auskennt, erklärt allerdings, in Spandau müsse man nicht selten acht Wochen warten. Christoph Dathe, Pressereferent im Bezirksamt Neukölln, erklärt dagegen, „in der Regel“ erhalte man in Neukölln in einer Woche die Urkunde. Auch im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, teilt Bezirksstadt Arne Herz mit, dauere die Bearbeitung im Schnitt „derzeit maximal eine Woche“. Voraussetzung: Alle Unterlagen sind eingereicht.

Witwe aus Tempelhof wartete zwei Monate

Erheblich länger als eine Woche musste die Mandantin einer Anwältin in Tempelhof warten. Der Mann der Mandantin war im Oktober 2017 gestorben. Das Ehepaar besaß gemeinsam ein Haus, das die Witwe nun verkaufen wollte. Dazu musste sie aber ihren verstorbenen Mann aus dem Grundbuch löschen lassen. Das wiederum konnte sie nur mit einem Erbschein. Den besaß sie allerdings nicht. Denn einen Erbschein bekommt man nur, wenn auch eine Sterbeurkunde vorliegt. Die lag denn auch tatsächlich mal vor – nach zwei Monaten Wartezeit.

Es gibt natürlich in jedem Todesfall den amtlichen Leichenschau-Schein. Wer den im Bezirksamt vorlegt, kann, sagt die Insiderin, „eine Bescheinigung erhalten über die Rückstellung einer Bescheinigung“. Auch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf verweist auf dieses Dokument. Mit dem könne durchaus – eingeschränkt – agiert werden.

Susanne Burgstaller hatte diese Bescheinigung, über ihren Bestatter, erhalten. „Ich habe damit Versicherungen und die ADAC-Mitgliedschaft gekündigt. Aber das ging nur, weil man kulant war und dieses Dokument akzeptiert hatte. Die Sterbeurkunde muss ich nachreichen.“ Doch für die Insiderin, die sich bestens in der Thematik auskennt, ist diese Lösung „ein absoluter Glücksfall. Die Norm ist das ganz bestimmt nicht“.

*Name geändert

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Ausgabe hatte es geheißen, das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf sei für die Sterbeurkunde von Margret Burgstaller zuständig, weil sie in Wilmersdorf ihre Wohnung hatte. Das ist aber falsch. Entscheidend ist der Ortes des Todes. Deshalb ist Steglitz-Zehlendorf zuständig.

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