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Berlin: Steuerprüfung auf dem Strich

Prostitution ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Davon will auch der Senat profitieren – und fordert mehr Abgaben aus dem Gewerbe

Sex für die Steuer? Wofür sich bisher vor allem die Polizei interessierte, wird zunehmend von den Finanzämtern entdeckt: Prostitution in der Hauptstadt ist ein Millionengeschäft. Jeder zweite Mann soll – will man Untersuchungen glauben – inzwischen bei einer Prostituierten gewesen sein. Mehr als 300 Millionen Euro erwirtschafteten Berliner Prostituierte schätzungsweise im vergangenen Jahr. Nach Auskunft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung setzen sie damit mehr um als die zahlreichen Maler- und Lackierbetriebe in der Stadt. Der Senat hält diese Zahl für realistisch und bittet die Anbieter sexueller Dienstleistungen nun zur Kasse. „Prostitution ist ein umsatzstarker Wirtschaftsfaktor“, sagt Gerry Woop, Sprecher der Senatswirtschaftsverwaltung. Und wie jede andere Branche soll das „älteste Gewerbe der Welt“ besteuert werden.

Seit 2002 gilt das Prostitutionsgesetz. Das Anbieten und Kaufen von Sex ist seitdem nicht mehr sittenwidrig. Kranken- und Rentenversicherung stehen den Prostituierten – zumindest rechtlich – offen.

Wer raus aus der Schattenwirtschaft wolle, müsse auch Steuern zahlen, heißt es aus dem Senat. „Ein völlig normaler Vorgang“, sagt Matthias Kolbeck, Sprecher von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Sexarbeiter sollen für jeden Arbeitstag vorab 30 Euro an ihren Bordellbetreiber entrichten. Dieser wiederum soll das Geld zusammen mit einem Anwesenheitsnachweis der Prostituierten monatlich an die Finanzämter abführen. Am Jahresende soll dann eine persönliche Steuererklärung folgen. „Wir raten jeder Dame, über Ausgaben und Einnahmen Buch zu führen“, sagt Kolbeck. Bisher noch nicht betroffen sind Prostituierte die auf der Straße arbeiten – eine Minderheit, sagen Frauen aus dem Gewerbe.

Gegen die Regelung des Senats läuft derzeit die Hurenorgansation Hydra Sturm. In Berlin solle mit 30 Euro der bundesweit höchste Satz erhoben werden, in anderen Bundesländern müssten oft nur 20 Euro abgeführt werden. „Die Pauschale muss auf 15 Euro gesenkt werden“, forderte Hydra-Sprecherin Katharina Cetin, die auch in Steuerfragen berät. Nach Angabe von Branchenvereinen zahlt ein Großteil der Berliner Prostituierten ohnehin schon unter anderer Berufsbezeichnung Steuern und Sozialabgaben. Viele sind etwa als selbstständige Masseurin registriert. Dennoch gehen Experten davon aus, dass die Regelung den Kassen des Landes jeden Monat bis zu eine Million Euro bringen könnte. Schätzungen zufolge arbeiten rund 7000 Prostituierte in der Hauptstadt. Insgesamt verdienen mehr als zehntausend Berliner in diesem Sektor ihr Geld.

Gerichte haben festgestellt, dass hauptberufliche Sexarbeiterinnen täglich etwa drei Kunden bedienten. Wegen eines als üblich veranschlagten Preises von 50 Euro pro Freier gehen die Finanzbehörden von Tageseinnahmen von rund 150 Euro aus. Ein durchschnittliches Monatseinkommen liege dennoch nur bei etwa 1500 Euro brutto – fünf Tage die Woche arbeiteten die wenigsten Frauen.

Dass beim Geschäft mit der käuflichen Liebe bald noch mehr Geld umgesetzt werden könnte, glauben vor allem Bordellbetreiber. Die Nachfrage steige, sagt Egbert Krumeich, Sprecher des Edelbordells Artemis in Charlottenburg, in dem 70 Frauen arbeiten. Derweil bemüht sich auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi um Mitglieder aus der Branche.

„Wir wollen Sexarbeiterinnen organisieren“, sagt Andreas Sander, der sich bei Verdi um „Besondere Dienstleistungen“ wie Prostitution kümmert. Sander hat erst kürzlich zu einem rundem Tisch geladen: Polizei, Politiker, Bau- und Finanzämter sollen sich nun regelmäßig mit Vertretern der Branche zusammensetzen. In anderen Wirtschaftszweigen werde schließlich auch gemeinsam an einvernehmlichen Lösungen gearbeitet.

„Wer Steuereinnahmen will, muss aber auch Rechtssicherheit geben“, sagt Stefanie Klee vom Bundesverband für sexuelle Dienstleistungen. Erst kürzlich wurden einige der mehreren hundert Berliner Wohnungsbordelle wegen „Störung der Umgebung“ von den Bauämtern geschlossen. Vermutet wird, dass die Frauen lieber in überschaubaren Großbordellen wie dem Artemis arbeiten sollen. Prostitution werde noch nicht als Wirtschaftszweig akzeptiert, beschwert sich Klee. Sie selber sei da schon einen Schritt weiter: „Bei mir steht Prostituierte auch offiziell auf der Steuerkarte.“

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