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Berlin: Stiche in Kreuzberg, Schüsse im Rheinland

Auf offener Straße umgebracht: Wie türkische Zeitungen über Ehrenmorde in Berlin und Mönchengladbach berichteten

Die Überschrift lautete so: „Er starb wegen eines Mädchens.“ Das schrieb die „Hürriyet“ am Dienstag. Zwei Tage zuvor war der 18-jährige Ömer Y. am Ufer des Landwehrkanals in Kreuzberg erstochen aufgefunden worden. Wie berichtet, ist der mutmaßliche Täter ein Bekannter des Opfers. Er heißt Hakan T., ist 17 Jahre alt, die Polizei fahndet noch immer nach ihm.

Diese Nachricht erschien groß in den Europabeilagen der Zeitungen. Ein anderes Morddrama verdrängte jedoch die Geschichte aus Berlin.

Ein mit Haftbefehl gesuchter Türke aus Mönchengladbach erschoss vor knapp zehn Tagen auf offener Straße seine Frau und seine Tochter. Nun untersucht die Polizei die Hintergründe.

Fast täglich berichtete die „Hürriyet“ über den Fall groß auf ihrer Titelseite. Denn zwei Stunden vor der Tat war der 38-jährige Mann im Streit um das Sorgerecht vor Gericht erschienen. Obwohl ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung gegen den Türken vorlag, ließ ihn der Richter angeblich gehen. „Er hat seine Tat angekündigt, aber niemand hat das ernst genommen“, titelte die „Hürriyet“ zwei Tage nach der Tat. Die Schlagzeile basiert auf der Aussage der Anwältin des Opfers. „Erst auf mein Drängen rief der Richter die zuständige Staatsanwaltschaft an“, erzählte Gülsen Celebi deutschen und türkischen Journalisten. Der Richter habe erklärt, dass der Gesuchte im Gerichtssaal anwesend sei. Deshalb habe er darum gebeten, die Polizei zu informieren. „Es hieß, die zuständige Staatsanwältin sei im Moment nicht an ihrem Platz, die Information würde weitergegeben und man werde Polizei in den Gerichtssaal schicken“, zitierte nicht nur die „Hürriyet“ die Anwältin. „Als keine Polizei erschien, hat der Richter nicht mehr länger warten wollen.“ Zwei Stunden später geschah das Unglück. Der Mörder ist inzwischen gefasst. Er hat die Tat gestanden. Für die „Hürriyet“ ist alles klar: „Der Staatsanwalt ist Deutscher, der Mörder ein Türke.“

Suzan Gülfirat

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