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Dann singt mal schön. Die Fußballer vom Zweitligisten 1. FC Union sind schon aus dem DFB-Pokal ausgeschieden, die Fans strömen trotzdem ins Stadion. Mit Kerze und Gesangsbuch. Foto: dpa

© dpa

Berlin: Stille Nacht? Von wegen!

15 000 Union-Fans singen gemeinsam in ihrem Stadion Weihnachtslieder. Vorneweg: Pfarrer Peter Müller.

Berlin - Den rot-weißen Schal für diesen ganz besonderen Abend wird er sich natürlich um den Hals wickeln. Nicht nur wegen der Kälte, sondern weil Peter Müller in seinem Stadion stehen und singen wird – und zwar Weihnachtslieder mit 15 000 Menschen, alle Fans des Köpenicker Fußballklubs 1. FC Union. „Angefangen hat alles mit gerade mal 89 Leuten“, erzählt Müller, der an diesem Freitag – traditionell am Tag vor Heiligabend – den Fans eine Weihnachtsgeschichte vorlesen wird und im Stadion ein Gebet spricht, anschließend wird gesungen. 15 000 Menschen, das sei absoluter Rekord, sagt der 74-Jährige. Den Takt gibt der Chor des Emmy-Noether-Gymnasiums vor, eine kleine Bläsergruppe sorgt für festliche Klänge. Liederbücher und Kerzen gibt es gratis für die Fans auf den Tribünen.

Müller ist Vereinsmitglied und Pfarrer im Ruhestand. Die Idee zum gemeinsamen Weihnachtssingen stamme von Thorsten Eisenbeiser vom Fanclub Alt-Unioner, erzählt Müller. Als dieser sich 2003 zum ersten Mal im Stadion An der Alten Försterei traf, war er noch nicht mit dabei. Eisenbeiser und seine Freunde bemerkten aber, dass trotz der Lieder „Oh, du Fröhliche“ und „Stille Nacht, heilige Nacht“ etwas fehlte: die Weihnachtsgeschichte. „Sie erzählt schließlich vom Ursprung des Schenkens an diesem besonderen Tag“, sagt Müller. Und wer wäre zum Vortragen der Geburt Jesu Christi besser geeignet als ein Pfarrer?

Also klapperte Eisenbeiser die Kirchen in Köpenick ab, um einen Pfarrer zu finden, der an diesem Tag auch Zeit hatte. „Es ist nicht so, dass meine Kollegen nicht gewollt hätten, aber am Abend vor Weihnachten sind sie mit der Vorbereitung ihrer Gottesdienste beschäftigt“, sagt Müller. Und so kam der Ruheständler ins Spiel, der selbst 15 Jahre lang eine Kirche in Köpenick betreute. Seinen ersten Kontakt mit Union hatte er beim Kirchentag 1987, auch der fand damals statt im Stadion An der Alten Försterei. Schon damals sei ihm der Klub aus Köpenick sympathisch gewesen. „Union galt selbst zu DDR-Zeiten als politisch nicht ganz konform“, erinnert sich Müller.

Abgesehen vom Weihnachtssingen geht Müller zwei- bis dreimal pro Jahr ins Stadion. Mehr lässt seine Zeit nicht zu. Auch wenn er seit einigen Jahren im Ruhestand ist, hilft er in den Kirchen aus. Häufig vertritt er jüngere Kollegen, wenn diese krank oder Stellen unbesetzt sind. Zudem engagiert er sich auch in sozialen Einrichtungen. Und trotzdem verpasst Müller kein Spiel: Seine Wohnung liegt nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Stadion entfernt. Wenn er im Sommer auf der Terrasse seiner Dreiraumwohnung im Allendeviertel Predigten vorbereitet und im Radio das Spiel läuft, hört er die Fanchöre und fühlt sich seiner Unionfamilie ganz nah.

23. Dezember, Stadion An der Alten Försterei, 19 Uhr. Eintritt frei.

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