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Tiefergelegt. Gut 90 Jahre alt war dieser Baum in einer Treptower Wohnstraße. Am Montag wurde er von einer Windböe aus dem Boden gerissen und fiel auf ein Auto. Ein Pilz hatte das Wurzelwerk zerstört, so dass die Silberlinde keinen Halt mehr hatte.

© Charlotte Jansen

Straßenbäume in Berlin: Morsch und altersschwach

Berlins Straßenbäume geraten an ihre Altersgrenze – und werden morsch. Die Bezirksämter betreiben hauptsächlich Gefahrenabwehr. Am Montag stürzten zwei alte Bäume um. Sie waren krank.

Gleich zwei große, alte Straßenbäume sind am Montagnachmittag durch Windböen aus dem Boden gerissen worden und dadurch umgestürzt. In Steglitz an der Ecke Braille-/Wulffstraße fiel eine 15 Meter hohe Kastanie, in der Karl-Kunger-Straße in Treptow kippte eine 90 Jahre alte Silberlinde. Beide Bäume waren krank: Ihre Wurzeln waren von einem „Brandkrustenpilz“ befallen.

Die Linde war das letzte Mal im August vergangenen Jahres kontrolliert worden. „Der Pilz konnte dabei nicht gesehen werden, da nur die Wurzel befallen war. Der Baum war vital“, sagt Olga Toepfer vom Grünflächenamt Treptow-Köpenick. Aber das Wurzelwerk des 20 Meter hohen Baumes war schon größtenteils zerstört, so dass er dem Wind nicht mehr standhalten konnte. Wird bei einem Baum dieser Pilz entdeckt, werde er in der Regel gefällt, sagt Toepfer. Bei der Steglitzer Kastanie hingegen seien die Wurzeln weitgehend intakt gewesen, sagt Umweltstadträtin Christa Markl- Vieto (Grüne). Gefahr für die übrigen Kastanien in der Straße sieht die Stadträtin nicht; der Pilz sei nicht ansteckend.

Beide Bäume begruben Fahrzeuge unter sich. Wer für die Schäden aufkommen wird, ist noch unklar. Wenn nachgewiesen sei, dass regelmäßig kontrolliert wurde, müsse das Bezirksamt nicht für den Schaden aufkommen, sagt Toepfer. In diesen Fällen waren es geparkte Fahrzeuge. Vor drei Jahren stürzte ein Baum auf ein fahrendes Taxi in der Kreuzberger Möckernstraße. Im März vergangenen Jahres fiel ebenfalls in Kreuzberg eine Linde auf ein Auto, das an einer roten Ampel hielt. Die Fahrer kamen mit dem Schrecken und einer leichten Verletzung davon.

Viele Bäume wurden nach dem Krieg gepflanzt

Insgesamt geht es den rund 440 000 Straßenbäumen nicht allzu gut; bei 40 Prozent zeigen die Baumkronen Schädigungen. Vor allem leidet der Bestand an Überalterung. Da die Bäume stärkeren Belastungen ausgesetzt seien als ihre Artgenossen in Parks und Grünanlagen, hätten sie eine kürzere Lebensdauer, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin der Senatsumweltverwaltung. In der Regel würden sie 60 bis 70 Jahre alt. Viele Bäume wurden nach dem Krieg gepflanzt. „Deswegen stoßen viele jetzt an ihre Altersgrenze“, sagt Augenstein. Man schaffe es seit langem nicht mehr, genügend Ersatz für die zu schaffen, die entfernt werden müssen.

Aus diesem Grund hat der Senat die Kampagne „Stadtbäume für Berlin“ ins Leben gerufen, mit dem bis 2017 über Spenden bis zu 10 000 Bäume gepflanzt werden sollen. Am Dienstag pflanzte die Allianz Umweltstiftung zehn Rot-Ahorne am zukünftigen Haupteingang der Internationalen Gartenausstellung in Marzahn. Im Rahmen des Programms können sich Spender ab einer Summe von 500 Euro aussuchen, wo der Baum stehen soll. Ab Mai kann man sich auf www.berlin.de/stadtbaum informieren, an welchen Standorten in den Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg im Herbst Bäume gepflanzt werden sollen. Die Anpflanzung und ersten drei Jahre Pflege eines Baumes kosten durchschnittlich 1200 Euro. Bei einer Spende von 500 Euro kommt der Senat für die restlichen 700 Euro auf.

„Die Grünflächenämter bluten aus“

Vom Wind erfasst. In Steglitz stürzte diese Kastanie um.
Vom Wind erfasst. In Steglitz stürzte diese Kastanie um.

© Conradi

Allerdings sind für die spätere pflegerische Unterhaltung die Bezirke zuständig. Die kommen angesichts der knappen Mittel mit der Pflege nicht hinterher. „Die Bezirke schaffen eigentlich nur, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, sagt der Naturschutzreferent des Umweltverbandes BUND, Herbert Lohner. Das bedeutet, dass sie sich auf die jährlich vorgeschriebenen Kontrollen der Bäume konzentrieren. Das kann Olga Toepfer vom Grünflächenamt Treptow-Köpenick bestätigen: „Wir betreiben zuerst Gefahrenabwehr.“ Laut dem naturschutzpolitischen Sprecher der Grünen, Turgut Altug, gibt es Klagen aus allen Bezirksämtern, dass das Geld nicht reicht: „Die Grünflächenämter bluten aus.“ An eine regelmäßige Grundpflege der Bäume sei da kaum zu denken.

Das wiederum bemängeln die Anwohner in der Braillestraße in Steglitz. Früher seien die Bäume alle drei bis vier Jahre ordentlich beschnitten worden, jetzt sei seit gut zehn Jahren nichts mehr passiert.

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