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Und das war der erste Zug! Am Sonntagmorgen, 14. Dezember 2014, 6.43 Uhr, fuhr die M5 erstmals regulär zum Hauptbahnhof (und hielt noch am provisorischen Bahnsteig). Wir waren dabei, lesen Sie mehr unter diesem Link.

© Fabian Federl

Straßenbahn zum Hauptbahnhof: Jungfernfahrt der M5 zur Frühstückszeit

Wer steht sonntags um kurz vor sieben Uhr am Hackeschen Markt, um die erste Fahrt der neuen Straßenbahn mitzuerleben? Weniger, als erwartet. Eine Probefahrt mit der neuen M5.

Sonntagmorgens um sechs ist eine besonders friedliche Zeit in Berlin: Zu früh für die S-Bahn; in der U-Bahn sind alle zu müde, um Lärm zu machen: die Schon-Wachen und die Noch-Wachen, die sich – je nachdem - an ihren Wegbieren oder Kaffee-To-Gos festsaugen.

In Friedrichshain tanzen die Partygänger sich erst warm, in Wedding klingeln die Trinkgeldbeutel der Kneipenwirte. Aber was ist in Mitte, an den Hackeschen Höfen? Wer ist um diese Zeit am Litfassplatz unterwegs?

Antwort: Niemand.

Kommt die Tram überhaupt?

In einer halben Stunde soll erstmals die M5 bis Hauptbahnhof hier losfahren, mit achteinhalb Jahren Verspätung. Die erste reguläre Fahrt laut neuem Fahrplan: Sonntag, der 14. Dezember 2014, 6:43 Uhr.

Um 6:30 Uhr leuchtet auf der Anzeigetafel: „M5: Fahrt endet hier“ – Haltestelle neun am Hackeschen Markt: leer. Kommt die Tram überhaupt?

Schritte, ein Räuspern: Ein Mann mit Stativ und Kamera kommt um die Ecke. Na also! Warum so früh hier? „Es ist ja ein historischer Moment.“ Das wolle er festhalten. Außerdem sei es ja gar nicht sooo früh...

Inzwischen sind zwei weitere Wartende an der Haltestelle eingetroffen. Ziemlich wenige, oder? „Die Bahn kommt ja auch aus Hohenschönhausen – da sind schon ein paar drin“, sagt der Mann mit dem Stativ. Er kennt sich aus.

Bedingt abfahrtbereit: Die Anzeigetafel war am ersten Tag am Hackeschen Markt noch nicht umgestellt; für sie war hier noch immer Endstation. Längst ist Normalität eingekehrt (und die Fahrt soll auch nicht am Hauptbahnhof enden).
Bedingt abfahrtbereit: Die Anzeigetafel war am ersten Tag am Hackeschen Markt noch nicht umgestellt; für sie war hier noch immer Endstation. Längst ist Normalität eingekehrt (und die Fahrt soll auch nicht am Hauptbahnhof enden).

© Fabian Federl

M5: Fahrt endet hier

Noch fünf Minuten - nach Fahrplan. Woher kommt das Interesse an der Tram? Seit 20 Jahren fotografiere er Bus und Bahn, sagt der Mann, der seinen Namen lieber nicht nennen möchte. „Ich bin schon immer gerne Bus gefahren, seit meiner Kindheit.“ Auto fährt er gar nicht mehr. „Mich faszinieren alle Arten von Öffentlichem Nahverkehr: Busse, S-,U-, Straßenbahnen.“ Auch Eisenbahnen, aber das sei nicht seine Generation – „die schönsten sind die mit Bezug zu Kindheit und Jugend – Modelle der 80er, 90er-Jahre.“ Heute erwartet die Reisenden eine Flexity F8Z. „F für Flexity, 8 für acht Achsen, Z für Zweirichtung“ - neuestes Modell.

Die Anzeigentafel blinkt: „M5: Fahrt endet hier“. Heute eben nicht mehr. Einsteigen!

Erstaunlich wenige Fahrgäste, keine 20 sind in der Bahn. „Sollen wir sie dekorieren?“, fragt ein Fahrgast und schwenkt ein Absperrband durch die Luft. Ob er Tramliebhaber oder Betrunkener ist, schwer zu sagen.

Erst zum Hauptbahnhof, dann frühstücken

Nächster Halt: Oranienburger Straße. Ein Herr im Windbreaker sitzt im Vierersitz und macht Fotos.

Oranienburger Tor, sein Kollege steigt ein. „Lass uns auch gleich damit zurückfahren, dann gehen wir noch frühstücken“, schlägt der Zugestiegene vor.

Rechts abgebogen: Naturkundemuseum. Einige Fotografen machen Bilder von außen. Die F8Z ist eine Diva, der Tramfahrer weiß um ihre Prominenz und lässt sie ein wenig im Blitzlicht stehen.

Invalidenpark, Anmerkung aus dem Vierer: „Dafür, dass es die erste ist, ist sie aber ganz schön leer“.

Endstation: Nicht Hauptbahnhof

„Nächster Halt: Hauptbahnhof“, tönt es aus den – zu laut aufgedrehten – Lautsprechern. Eine einzelne Luftschlange fliegt über den Gang. Der Feiernde ist der Gast mit dem Absperrband – also doch ein Pufferküsser!

Aber Moment mal: In der Ansage fehlte doch „Endbahnhof. Bitte alle aussteigen.“ Die Türen gehen auf, niemand verlässt die Tram: Hier weiß jeder, dass die Endstation der M5 nach Hauptbahnhof nicht der Hauptbahnhof ist.

Acht Mal fiept das Türschließsignal, weiter, am Lesser-Ury-Weg vorbei. „Nächster Halt: Lüneburger Straße. Endstation. Bitte alle aussteigen.“ Angekommen. Aber wo genau? „Also wennse da vorne links über die Ampel gehen, dann durch das Betriebsgelände hinten wieder Richtung Hauptbahnhof, sehense schon die erste Haltestelle. So was mit 'nem Frauennamen“, erklärt der Tramfahrer den Weg zurück. Clara-Jaschke-Straße heißt die Station. „Muss mich ja hier auch noch zurechtfinden.“

In 18 Minuten geht es zurück Richtung Zingster Straße, Hohenschönhausen. Also schnell über das BVG-Gelände, unter der ICE-Trasse. Am wartenden Fahrer des 142er-Busses vorbei zur Haltestelle mit dem Frauennamen.

Sonntagmorgens um sieben ist es übrigens auch hier besonders friedlich: An der brandneuen Station hat zwar bisher noch keine reguläre Tram gehalten – auf einem Sitz in der provisorischen Wartehalle schläft aber bereits ein Mann seinen Rausch aus, daneben ein Haufen Schutt – abgesteckt mit Schrankenzäunen: Sicherheit geht vor!

Die F8Z fährt ein. Kaum jemand drin. Die meisten stehen an der gegenüberliegenden Haltestelle des M41 und machen Fotos. Man kann ja die nächste Tram am Hauptbahnhof nehmen – aber nie wieder die erste.

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