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Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft erhoffen sich Impulse durch eine engere politische Kooperation von Berlin und Brandenburg. Ein erster Schritt: Gemeinsame Kabinettssitzungen.

© picture alliance / Rainer Jensen

Strategie für die Hauptstadtregion: Wie Berlin und Brandenburg gemeinsam wachsen können

Mit dem neuen Berliner Senat gibt es eine neue Chance für eine strategische Entwicklung der Hauptstadtregion.

Die neue Berliner Landesregierung hat sich viel vorgenommen. Im Koalitionsvertrag ist der Wille, gemeinsam eine Entwicklungsstrategie aufzubauen, um die Stärken von Brandenburg und Berlin gleichermaßen zu nutzen, deutlich erkennbar.

Berlin und Brandenburg haben die Chance, gemeinsam zu einem führenden Hochtechnologiestandort zu werden. Dazu müssen wir die Nähe von Wissenschaft und Wirtschaft fördern, Theorie schnell in Praxis umsetzen. Vor allem geht es darum, Talente anzuziehen. Das Konzept der „Innovationskorridore“, die von Berlin aus in Richtung Lausitz, in Richtung Stettin oder in die Prignitz ausstrahlen können (siehe Grafik), kann dazu einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Entlang der großen Bahnlinien und Autobahnen werden Wohnen, Arbeiten und Lernen, Wirtschaft, Mobilität, Energie und Klimaschutz strategisch miteinander verknüpft. Großstadt und Peripherie werden so auf fruchtbare Weise miteinander versöhnt. Die „Innovationskorridore“ tragen Chancen in Regionen, die bisher abseits des Berliner Speckgürtels lagen und daher bei neuen Entwicklungen wenig berücksichtigt wurden.

Erste Ansätze sind bereits zu beobachten. Vor einigen Wochen trafen sich auf dem alten Flughafen in Tegel Bürgermeister, Unternehmer, Wirtschaftsförderer aus Berlin und dem Nordwesten Brandenburgs. Sie sprachen darüber, wie der Raum zwischen der Prignitz und dem ehemaligen Airport zu einer gemeinsamen Wirtschaftsregion werden könnte. Erste erfolgreich gesetzte Bausteine gibt es bereits. Vor zwei Jahren lud die Stadt Wittenberge 20 Menschen ein, in der Elbestadt für ein halbes Jahre zu wohnen und in einem extra eingerichteten Co-Working-Space zu arbeiten. Viele von ihnen blieben dauerhaft. Das Experiment gelang, zeigte es doch, dass Leben und Arbeiten eine Stunde außerhalb von Berlin gut funktionieren.

Ein neues Verhältnis der beiden Länder wird gesucht

So entsteht ein neues Verhältnis zwischen Großstadt und ländlichem Raum – und eine neue Entwicklungschance für Berlin und Brandenburg. Wie kann das neue Verhältnis der beiden ungleichen Länder aussehen?

Unser wertvollster Rohstoff ist heute das Wissen der Menschen, die in Berlin und Brandenburg leben. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, die Attraktivität unserer Region für Wissensträger zu steigern. Genau das wird nur gemeinsam gelingen.

Ein Beispiel: In Berlin-Adlershof, Deutschlands erfolgreichstem Technologiepark arbeiten heute über 22.000 Menschen, jedes Jahr kommen rund 1000 hinzu. Allerdings: Nur etwa 70 Prozent der „Adlershofer“ sind auch „Berliner“. Fast ein Drittel der Beschäftigten pendelt von Brandenburg nach Adlershof; die Lebensqualität jenseits der Großstadt wird von ihnen offensichtlich sehr geschätzt. Acht Prozent von ihnen leben beispielsweise im Landkreis Dahme-Spreewald.

Sie machen aber gleichwohl ein Viertel des Autoverkehrs von und nach Adlershof aus. Um die Verkehrsströme zu reduzieren, um weiteres Wachstum zu generieren und die Attraktivität des Standorts zu erhalten, geht es nun um Anreize, wie die Beschäftigten Wohnen und Arbeiten besser verbinden können. Es geht um Anreize, wie man sich entlang einer gut ausgebauten Bahnlinie ansiedeln und so ein „Innovationskorridor“ entstehen kann. Entscheidend dabei: nicht mehr in Entfernung zum Arbeitsplatz, sondern in Fahrzeiten zu denken.

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Ein konkretes Beispiel dafür ist der neu entstehende Coworking-Space in Lübben. Adlershofer Beschäftigte werden dort künftig zwei oder drei Tage pro Woche arbeiten – zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen aus Adlershof. An den anderen Tagen können sie mit dem Zug schnell zu dem Hauptsitz ihrer Firmen nach Adlershof pendeln. Im Umfeld des Coworking-Spaces können sich darüber hinaus weitere Produktionsstandorte ansiedeln und so vom Wissenshub in Adlershof profitieren.

Innovationskorridore bieten ganz neue Möglichkeiten

Die „Innovationskorridore“ sind nicht nur Ausdruck eines geänderten Verhältnisses von Wohnen, Arbeiten und Produzieren. Sie lassen sich auch inhaltlich profilieren. Wenn man die Wissenschaftsstadt Adlershof und den in Cottbus entstehenden Lausitz Science Park als Einheit, als zwei Enden desselben Korridors, begreift, bieten sich ganz neue Möglichkeiten. Denn es geht um nichts geringeres als neues Wissen und neue Technologien zu generieren, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen vom Klima- und Energiewandel über Gesundheit bis hin zum demografischen Wandel zu bewältigen. Das haben sich die Humboldt-Universität zu Berlin, die Charité, die Freie und die Technische Universität Berlin vorgenommen. Im Zusammenwirken mit den Brandenburger Hochschul- und Forschungseinrichtungen steigen die Erfolgschancen dieses wahrlich ambitionierten Vorhabens.

Der Sozialdemokrat Thomas Kralinski, 1972 in Weimar geboren, ist ehemaliger Chef der Brandenburger Staatskanzlei und Vorstandsmitglied des Think Tanks „Das Progressive Zentrum“.
Der Sozialdemokrat Thomas Kralinski, 1972 in Weimar geboren, ist ehemaliger Chef der Brandenburger Staatskanzlei und Vorstandsmitglied des Think Tanks „Das Progressive Zentrum“.

© promo

Brandenburg steht am Ende des Kohlezeitalters und am Anfang eines neues Wachstumsmodells. Ansiedlungen wie Tesla und der Batterieindustrie in Brandenburg zeigen, wie neues Wissen, die Verfügbarkeit von Flächen und erneuerbaren Energien große Unternehmen anziehen. Der „Innovationskorridor“ zwischen Berlin und der Lausitz führt zusammen, was zusammengehört: Naturwissenschaft und Ingenieurswissen rund um neue Energien und moderne Mobilität. Das verleiht ihm ein unverwechselbares Profil.

Rolland Sillmann, Geschäftsfürher der Wista Management GmbH, die den Technologiepark Adlershof betreut.
Rolland Sillmann, Geschäftsfürher der Wista Management GmbH, die den Technologiepark Adlershof betreut.

© Wista

Der Berliner Koalitionsvertrag öffnet die Tür zu einer zusammen wachsenden Hauptstadtregion mit einem frischen strategischen Ansatz. In Brandenburg arbeitet die Landesregierung bereits an einer neuen Regionalpolitik. Die verschiedenen Puzzleteile liegen auf dem Tisch. Dazu gehört neben der Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft sowie von Politik und Verwaltung, auch der schnelle Ausbau von Bahnstrecken, neue Mobilitätskonzepte und eine gemeinsame Wohnungsbaustrategie. Die verschiedenen Teile müssen also nur noch zusammengesetzt werden.

Die Autoren: Roland Sillmann ist Geschäftsführer der Betreibergesellschaft von Adlershof, der Wista Management GmbH, die auch die Geschäftsstelle Zukunftsorte Berlin betreibt. Thomas Kralinski ist Vorstandsmitglied des Thinktanks „Das Progressive Zentrum“, war Chef der Brandenburger Staatskanzlei und engagiert sich in der Stiftung Zukunft Berlin.

Thomas Kralinski, Roland Sillmann

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