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Das ist die Strecke, um die es geht - vom Berliner zum Potsdamer Hauptbahnhof, über Steglitz, Kleinmachnow und Babelsberg.

© Tagesspiegel

Strecke zwischen Berlin und Potsdam: Berlins Bahnchef will die Stammbahn zurück

Deutlich wie nie hat sich Alexander Kaczmarek für den Wiederaufbau der Stammbahn ausgesprochen. Die Bahnstrecke vom Berliner zum Potsdamer Hauptbahnhof über Zehlendorf ist seit 1945 außer Betrieb. Mit einem Kommentar.

Die Deutsche Bahn hat sich deutlich wie nie für einen Wiederaufbau der Stammbahn von Potsdam über Kleinmachnow nach Berlin ausgesprochen. „Die Stammbahn liegt wie eine Nabelschnur zwischen Potsdam und Berlin“, sagte der Berliner Konzernbeauftragte der Bahn, Alexander Kaczmarek, am Mittwoch dem Tagesspiegel-Schwesterblatt Potsdamer Neueste Nachrichten. Beides seien boomende Städte, allein Berlin wachse künftig jährlich um 40 000 Einwohner. Daher müsse man auch über den Wiederaufbau der Strecke nachdenken. „Zudem würde die Stammbahn eine neue Verbindung über Zehlendorf und Kleinmachnow schaffen“, so der Berliner Bahnchef.

Die Stammbahn wurde 1838 als erste preußische Bahnstrecke errichtet. Auf ihr verkehrten bis 1945 durchgehend Züge. Die Strecke wurde durch den Mauerbau getrennt und später größtenteils demontiert, ist aber noch immer als Bahntrasse gewidmet. Alle Züge fahren derzeit von Potsdam über Wannsee auf die Berliner Stadtbahnstrecke, die zwischen Charlottenburg und dem Ostbahnhof keine Kapazitäten mehr für zusätzliche Züge hat. Die Stammbahn könnte Kaczmarek zufolge Abhilfe schaffen, da Züge von Potsdam über die Strecke in den Fernbahntunnel zum Potsdamer Platz und dem Berliner Hauptbahnhof fahren könnten. „Das wäre die schönste Lösung des Problems“, so Kaczmarek.

In zwölf bis dreizehn Jahren könnten wieder Züge fahren

Die Prioritäten für den Bahnverkehr legen die Länder Berlin und Brandenburg fest. Sollten sie sich für eine Wiederbelebung der Stammbahn aussprechen, könnten die Planungen dafür Kaczmarek zufolge in etwa sieben Jahren beendet sein – eventuelle Klagen von Anwohnern entlang der Trasse gegen den Wiederaufbau eingerechnet. „Die Bauzeit würde danach bei etwa fünf Jahren liegen, bis auf die Überquerung der A 115 und die Einfädelung der Strecke in Griebnitzsee gibt es keine komplizierten Bauten“, sagt der Bevollmächtigte. Zwölf bis dreizehn Jahre nach einem Votum der Landesregierungen könnten also Züge fahren. Das wäre wichtig, denn in etwa 15 Jahren müssten die Regionalbahngleise der Strecke Potsdam-Wannsee-Berlin wieder erneuert werden. Die Stammbahn könnte in dieser und ähnlichen Situationen als Umfahrung dienen.

Eine Einfädelung der Stammbahn in den 2006 fertiggestellten Berliner Nord-Süd-Tunnel wurde bei dessen Bau bereits vorbereitet. Die Bahn musste einen Millionenbetrag an Fördermitteln für den Tunnelbau zurückzahlen, da die Förderung an den Wiederaufbau der Stammbahn gekoppelt war. Schuld an der Rückzahlung waren laut Kaczmarek die Länder Berlin und Brandenburg gewesen, die damals kein Interesse an einem Wiederaufbau signalisiert hatten. „Wir waren darüber und über die Rückzahlung nicht froh“, so der Konzernbeauftragte.

Der Gegenvorschlag: Ein Radschnellweg auf der Trasse

Wie berichtet gibt es neben der Reaktivierung der Stammbahn für Regionalzüge auch Pläne, auf der Trasse einen Radschnellweg anzulegen. Abgeordnete der Berliner Bezirke Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg hatten sich mehrheitlich für ein solches Projekt oder zumindest dessen Prüfung ausgesprochen. „Dieser Vorschlag hat auch die Diskussion in Berlin über die Stammbahn wieder in Schwung gebracht“, so Alexander Kaczmarek. Inzwischen hat die Berliner Senatsverwaltung dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg auferlegt, vorerst keine weiteren Verpflichtungen für den Radwegbau auf der Trasse einzugehen. Der SPD-Bezirksverband sieht darin ein Zeichen, dass der Berliner Senat die Reaktivierung der Stammbahn wieder verstärkt prüft.

Im Brandenburger Infrastrukturministerium werde man die Berliner Diskussion „mit Interesse weiterverfolgen“, so Sprecher Steffen Streu. Das Ministerium prüft derzeit Pendlerströme im Land als Grundlage für mögliche Streckenerweiterungen, die im Nahverkehrsplan ab 2019 berücksichtigt werden sollen. „Nach der Prüfung werden wir uns dann auch zur Stammbahn positionieren“, so Streu. Die Prüfung soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden.

Die Kosten wurden bisher auf rund 160 Millionen Euro geschätzt

Neben der Stammbahn wird auch eine Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf vom Land geprüft, Kommune und Landkreis haben sich für das Projekt ausgesprochen. Eine Priorisierung der Projekte wollte weder der Ministeriumssprecher noch der Konzernbevollmächtigte der Bahn vornehmen. „Das ist ganz allein Ländersache“, so Kaczmarek. „Ein Teil der Stammbahntrasse zwischen Zehlendorf und Steglitz ist aber für den Güterverkehr in Betrieb.“ Es sei sicher einfacher, diesen Rest des Berliner Teils der Stammbahn wieder aufzubauen, als eine komplett neue S-Bahn-Verlängerung.

Zu den Kosten des Wiederaufbaus wollte sich Kaczmarek nicht äußern. Ein Gutachten des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2008 war von Baukosten in Höhe von knapp 160 Millionen Euro ausgegangen. Das Gutachten errechnete einen Nutzen-Kosten-Indikator von 0,64 für den Wiederaufbau der Stammbahn. Erst ab einem Faktor größer als 1 gilt ein Projekt als volkswirtschaftlich sinnvoll. Befürworter der Stammbahn argumentieren, dass das Gutachten veraltete Zahlen zum Bevölkerungswachstum und zum regionalen Verkehr zur Grundlage hatte.

Kommentar: Die Stammbahn macht mehr Sinn

Das ist die Strecke, um die es geht - vom Berliner zum Potsdamer Hauptbahnhof, über Steglitz, Kleinmachnow und Babelsberg.
Das ist die Strecke, um die es geht - vom Berliner zum Potsdamer Hauptbahnhof, über Steglitz, Kleinmachnow und Babelsberg.

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Deutlicher geht es kaum: Der Berliner Bahnchef bezeichnet die Stammbahn als „Nabelschnur“ zwischen Berlin und Potsdam, als „schönste Lösung“ für die Verkehrsprobleme der Wachstumsregion. Auf der Trasse von Griebnitzsee über Kleinmachnow zum Berliner Hauptbahnhof könnten 13 Jahre nach einer politischen Entscheidung für den Wiederaufbau wieder Züge fahren. Auch die Berliner Senatsverwaltung nähert sich dem Wiederaufbau der Stammbahn und unterbindet den Bau eines Radweges auf der stillgelegten Strecke. Der Meinungskampf hat begonnen: In der Region und der Kreisverwaltung hatte bisher die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf Priorität, nur Kleinmachnows Bürgermeister ist Stammbahn-Fan.

Sie macht mehr Sinn und hat den größeren Nutzen – nicht nur für die Region, sondern das ganze Land. Das Signal aus Berlin sollte für die Kommunalpolitiker Anlass sein, sich auf die Stammbahn zu einigen. Nur so wird es mit den beiden Landesregierungen einen neuen Anlauf für den Wiederaufbau der kürzesten Bahnverbindung zwischen Potsdam und Berlin – mit Halt in Dreilinden und Düppel – geben. Die Landesgrenze macht neue Verhandlungen schwer genug, kommunale Grenzen sollten keine Rolle spielen.

Enrico Bellin

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