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Mit Transparent und Westen brachen angestellte Lehrer der Friedensburg-Oberschule aus Charlottenburg am Morgen zur Demonstration auf.

© Laura Worsch

Streik im Öffentlichen Dienst in Berlin: Lehrer an der Schmerzgrenze

17.000 Teilnehmer meldet die Bildungsgewerkschaft GEW für die Demonstration am Mittwochmorgen auf dem Alexanderplatz. Auch Lehrer der Charlottenburger Friedensburg-Schule waren dabei. Sie kämpfen für mehr Lohn - aber nicht nur.

Um 7.30 Uhr ist es in den Gängen der Friedensburg-Schule in Charlottenburg noch still. Nur zehn Lehrer stehen schon vor dem Haupteingang und ziehen sich rote Streikwesten über ihre Winterjacken. „Insgesamt sind wir um die 30 Angestellte, fast alle streiken“, sagt Carsten Falk. „Den Rest treffen wir an der Friedrichstraße.“ Wie tausende andere Angestellte an diesem Mittwochmorgen machen sie sich auf den Weg zur Friedrichstraße. Dort beginnt um halb zehn die Demonstration zum Alexanderplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfindet. „Wir stehen hinter den Forderungen der GEW“, sagt Falk.

Neben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft haben auch Verdi, die IG Bau und die Gewerkschaft der Polizei zum Streik aufgerufen - zum zweiten Mal in diesem März. 200.000 angestellte Lehrer gibt es in Deutschland. Dazu streiken auch Mitarbeiter der Bezirksämter und Kitas sowie Polizisten und Feuerwehrleute – vorausgesetzt, sie sind Angestellte. Der Mathe- und Physiklehrer kritisiert, dass öffentlich vor allem die Forderung nach 5,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 175 Euro, im Vordergrund stünde. „Ich persönlich finde die Gewährleistung der betrieblichen Altersvorsorge wichtiger.“ Er würde auf das zusätzliche Gehalt verzichten – solange dafür die Altersvorsorge stimme. „Wenn ältere Angestellte krank werden, wird ihnen nach sechs Monaten gekündigt“, sagt der 35-Jährige. Er könne sich gut vorstellen, beruflich umzusatteln. „Ich fühle mich nicht in der Lage, unter diesen Arbeitsbedingungen 30 Jahre durchzuhalten.“

"Wir kämpfen auch für die Schüler"

Der Bahnhof Friedrichstraße ist um kurz nach 8 Uhr gefüllt mit Menschen in roten GEW- und Verdi-Westen. Viele Streikende haben ihre Kinder mitgebracht, die Kitas sind heute schließlich auch geschlossen. Die Gruppe aus Charlottenburg entrollt ihr Transparent: „Bildung ist mehr wert“ haben sie darauf geschrieben. Um halb 9 setzt sich der Zug in Bewegung. „Mit dem Streik kämpfen wir auch gegen die schlechten Bedingungen für die Schüler“, sagt Falk. Zurzeit findet an der Friedensburg Schule nur wenig Unterricht statt – durch den Streik fallen viele Stunden aus. „Wir sind eine inklusive Schule“, erklärt Falk. „Da kommt es umso mehr darauf an, auf einzelne Schüler einzugehen. Wie soll das gehen, wenn es gleichzeitig weniger Lehrer gibt?“

Cristina Violán unterrichtet seit acht Jahren an der Schule. Vorher hat sie als Dolmetscherin gearbeitet. „Die Spanischlehrer werden hier generell nicht verbeamtet“, sagt sie. Die Friedensburg-Schule ist eine Europaschule: Fächer wie Biologie und Spanisch werden auf Spanisch unterrichtet. Die 49-Jährige hat fünf Universitätsabschlüsse, drei aus Spanien, zwei aus Deutschland. Trotzdem erfülle sie die Voraussetzungen für Beamte nicht. „Gleichzeitig beschäftigt die Schule als Europaschule natürlich nur Muttersprachler.“

Auch Beamte demonstrieren mit

Kurz vor dem Alexanderplatz meldet die Polizei: 15.000 Demonstranten seien auf der Straße. Die GEW spricht später von 17.000. „Hut ab“, sagt Polizistin Heike Gundlach. „Für dieses Wetter ist das ziemlich viel.“ Dann grüßt sie einen ihrer Kollegen, der selbst mitläuft: Bernhard Marek ist seit mehr als 40 Jahren Beamter bei der Polizei. „Ich habe gerade frei“, sagt er. Obwohl er verbeamtet ist, nimmt er an der Demonstration teil: „Die Anliegen der Tarifverhandlungen sind schließlich auch unsere.“

Mehrere Tausend Angestellte im Öffentlichen Dienst versammelten sich auf dem Alexanderplatz.
Mehrere Tausend Angestellte im Öffentlichen Dienst versammelten sich auf dem Alexanderplatz.

© Soeren Stache/dpa

Auf dem Alexanderplatz drängen sich die Vorsitzenden der Gewerkschaften schon auf der Bühne. Weiter hinten verstehen die Angestellten aus der Friedenburg-Schule kein Wort. GEW-Vorsitzende in Berlin Doreen Siebernik sagt: „Die Schmerzgrenze ist erreicht.“ Bildungsarbeit stehe und falle mit den Menschen. „Mit uns wird es keine Kürzungen geben“, sagt sie. Die Menge jubelt, vor allem, wenn von der Rentenkürzung die Rede ist: „Hände weg von unserer Betriebsrente“, ruft Siebernik. „Hände weg“, fallen die Demonstranten rhythmisch ein.

Eine Junglehrerin aus der Friedensburg Schule ist ob der Forderungen skeptisch. „Ich kann mir derzeit noch nicht vorstellen, dass sie die fünf Prozent durchbringen“, sagt sie. Auch deshalb hofft die Gruppe aus Charlottenburg, dass es nicht bei dem einen Streiktag bleiben wird. „Von einem Tag ist noch niemand beeindruckt“, sagt Carsten Falk. „Leider nimmt mit mehr Streiktagen erfahrungsgemäß aber auch die Anzahl der Menschen ab.“

Laura Worsch

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