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Berlin: Streikdrohung bei der S-Bahn verschärft Krise im Nahverkehr Bei einem Ausstand der Lokführer könnte die BVG kaum Ersatz anbieten

Verkehrsverbund: Fahrgäste sind schon genug gebeutelt worden

Wenn’s nicht schlimmer kommen kann, kommt’s noch schlimmer: Seit fast zwei Jahren mutet die S-Bahn ihren Fahrgästen Einschränkungen zu, wie es sie außer im Krieg noch nie gegeben hat. Und jetzt will die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) innerhalb des bundesweiten Tarifkonflikts ihre Mitglieder auch noch zum Streik bei der S-Bahn auffordern. Termine gibt es noch nicht. Der Personalvorstand der Bahn AG, Ulrich Weber, forderte die GDL auf, „zur Vernunft zu kommen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren“.

Auch S-Bahnchef Peter Buchner hofft, dass es nicht zum Streik kommt und unterstützt die Aufforderung Webers an die GDL, wie er dem Tagesspiegel sagte. Der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Hans-Werner Franz, bittet die GDL, die S-Bahn von Streiks zu verschonen. Die Fahrgäste würden seit zwei Jahren bereits „genug gebeutelt“. Bei bundesweit geplanten Aktionen müsse die Gewerkschaft auch die besondere Lage in Berlin berücksichtigen. Gespalten reagierte Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Streiks gehörten zum Wesen der sozialen Marktwirtschaft, sagte er. Der Ausstand dürfe aber nur das letzte Mittel in tariflichen Auseinandersetzungen sein, und Streiks müssten rechtzeitig angekündigt werden. Dies hat der GDL- Vorsitzende Claus Weselsky zugesagt.

Bereits im Herbst 2007 hatte die GDL durch Streiks mehrfach den Betrieb der – damals noch funktionierenden – S-Bahn lahm gelegt; gezielt auch im Berufs- und Schülerverkehr. Warnstreiks, die nur wenige Stunden dauern, sind bereits vor der Urabstimmung möglich. Und dass sich die Lokführer für den Streik aussprechen werden, wenn sich die Tarifparteien nicht doch noch einigen, gilt als sicher.

Im Frühjahr 2008 hatte die GDL in letzter Minute einen Streik bei der S-Bahn und im Regionalverkehr abgeblasen, weil der Tarifstreit doch noch vorher beendet werden konnte. Auch damals hatte die GDL keine Rücksicht auf die Berliner Situation genommen. Denn vor ihrer Streikankündigung hatten bereits die Mitarbeiter der BVG im Rahmen ihrer Tarifverhandlungen die Arbeit eingestellt. Dabei hatte die S-Bahn während des Streiks bei der BVG schätzungsweise rund eine halbe Million Fahrgäste mehr als sonst täglich an ihr Ziel gebracht. Und beim Streik der S-Bahner 2007 waren etwa 400 000 Fahrgäste auf die BVG umgestiegen.

Sollten die S-Bahner jetzt erneut streiken, wird die BVG ihr Angebot kaum erweitern, denn es gibt nur wenig Reserven. Und im Busverkehr ist der Betrieb immer noch eingeschränkt, weil die technischen Probleme an den Fahrzeugen noch nicht abgearbeitet sind.

Auch die Bahn kann kaum Zusatzangebote auf die Gleise bringen, um als Ersatz für ausfallende S-Bahnen mehr Regionalzüge fahren zu lassen. Auch hier gibt es bundesweit keine Reserven. Zudem könnte die GDL auch gleichzeitig bei der S-Bahn und im Regionalverkehr streiken.

Würde sie sich auf den Regionalverkehr beschränken, wäre wiederum die S-Bahn nicht in der Lage einzuspringen. Sie fährt mindestens bis zum 27. Februar nach ihrem eingeschränkten „Winterfahrplan“. Von und nach Potsdam etwa bliebe es auch bei einem Streik beim derzeitigen 20-Minuten-Verkehr der S-Bahn. Und ob dieser „Winterfahrplan“ verlängert wird, soll sich heute entscheiden.

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