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Sie hatten die Wahl. Über die Zukunft der Kolonie Oeynhausen gab es einen Bürgerentscheid.

© Cay Dobberke

Streit im Kleingärten in Berlin: Wohnungsbau kontra Grün

Kleingärten erhalten oder Wohnungen bauen? Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid zur Kolonie Oeynhausen debattieren Experten in der Urania über die Stadtentwicklung Berlins. Am Ende gab es eine überraschende Einladung

„Der Müll in den Kleingärten kann doch wohl mal beseitigt werden! Man sieht ihn ja schon von der Autobahn aus.“ Bei diesem Satz des Vizepräsidenten der Architektenkammer, Stephan Strauß, war das Grummeln der Zuhörer in der Urania kaum zu überhören. Thema der Veranstaltung am Montagabend war die umstrittene wie emotionale Frage: Stehen Berlins Kleingärten dem Wohnungsbau im Wege? Gerade nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid in Charlottenburg-Wilmersdorf zum Erhalt der Kolonie Oeynhausen bewegt die Debatte nicht nur Hobbygärtner. Die Podiumsdiskussion war Teil der Reihe „Stadtgespräche – Berlin im Wandel“, welche die Architektenkammer mit dem Tagesspiegel und der Urania veranstaltet. Moderiert wurde die Debatte von Robert Ide, dem Berlin-Chef des Tagesspiegels.

Wohnungsnot zwingt zur Bebauung von Kleingartenanlagen

73 000 Kleingärten gibt es in Berlin, und damit so viele wie in sonst keiner Stadt der Welt. Die Kolonien nehmen 3 000 Hektar der Berliner Fläche ein. Weil die Wohnungsnot in der Hauptstadt durch den bis 2030 prognostizierten Bevölkerungszuwachs von knapp 254 000 Menschen steigt, denkt der Senat auch über die Bebauung mancher Kleingärten nach. Thorsten Tonndorf von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betonte zwar, wie wichtig die Anlagen seien, insbesondere für das Klima der Stadt. „Aber „Berlin wächst nun mal. Daher muss nach möglichen Bauflächen geschaut werden.“ Bis 2020 sind 8500 neue Wohneinheiten geplant. Dafür müssten 2900 Parzellen weichen. „Die innerstädtische Fläche ist nun mal nicht erweiterbar.“

Günther Landgraf, Präsident der Berliner Gartenfreunde, schüttelte bei solchen Äußerungen der Kopf. „Wir werden die demokratischen Mittel nutzen, um unsere Kleingärten zu erhalten“, kündigte er an. Schilder mit Slogans wie „Grün ist Leben!“ wurden aus dem Publikum hochgehalten; viele Kleingärtner waren gekommen. „Für bezahlbaren Wohnraum sind wir doch auch“, lautete der Zwischenruf eines Gartenpächters.

Angst vor Luxusbauten

83 Prozent der Kleingartenanlagen seien in der Bauplanung bereits gesichert, erwiderte Tonndorf. Für die meisten bestehe ein Bestandsschutz über 2020 hinaus. Den Hobbygärtnern reichen diese Aussagen aber nicht. Die Angst vor Verdrängung durch den Bau von Luxusbauten war in der Urania spürbar. Stadt- und Regionalplanerin Cordula Polinna forderte, „grundlegend abzuwägen“, wann Kleingartenanlagen als Bauland genutzt werden sollten oder wann nicht besser über eine Nachverdichtung bei bestehenden Wohnbauten nachzudenken sei. „Bei Gartenanlagen mit guter Infrastruktur muss es aber möglich sein, über eine spätere andere Nutzung zu diskutieren.“

In den nächsten sechs Monaten will die Senatsverwaltung die Pläne zum Wohnungsbau präzisieren. Aber auch die Gärtner müssen nacharbeiten. „Die Laubenbesitzer sollten sich etwas von den Projekten zum Urban Gardening abschauen“, sagte Landschaftsarchitekt Daniel Sprenger. „Diese mobilen Projekte sind zuweilen stärker in den Kiezen verankert.“

Bei einem Satz von Gartenfreunde- Chef Landgraf waren sich die Diskutanten immerhin einig. „Eine grüne Stadt ist eine soziale Stadt.“ Und aus dem Publikum kam zum Abschluss die Einladung zum Erntefest in die bedrohte Gartenkolonie Oeynhausen. Die nächste Diskussionsrunde über die Zukunft der Kleingärten findet vielleicht bei Apfel und Birne statt.

Anna Kristina Bückmann

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