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Parkstadt Karlshorst in Berlin.Grafik: Klaus Theo Brenner Stadtarchitektur

© Klaus Theo Brenner Stadtarchitektur

Streit über Bauprojekt in Karlshorst: Wie der Büroleiter von Andreas Geisel Politik machen wollte

Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg hat den Bau von 1000 Wohnungen beschlossen. Zuvor gab es Streit um eine Mail aus dem Büro eines SPD-Politikers.

Das lange und zähe Ringen um mehr als 1000 Wohnungen, eine Kita, eine Schule, einen Lebensmittelmarkt und tausend Quadratmeter Grünfläche im Westen von Karlshorst ist vorerst beendet. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg wurde am Donnerstag die Planreife für die Parkstadt Karlshorst beschlossen. Der Entscheidungsprozess hatte im Vorfeld für große Unstimmigkeiten zwischen den Fraktionen der SPD und der Linken gesorgt.

Auch eine Mail von Philipp Marten, Leiter des Abgeordnetenbüros von Innensenator Andreas Geisel (SPD), spielte dabei eine Rolle.

Bis zuletzt hatte sich die Linksfraktion in Lichtenberg gegen die Planreife ausgesprochen und das Projekt blockiert. Sie forderte vom Projektentwickler Bonava 35 Sozialwohnungen mehr. Doch dieser pochte auf bestehende Verträge. Bonava hatte das Grundstück 2015 gekauft und im Juli 2018 den städtebaulichen Vertrag mit dem Bezirk geschlossen, in dem auch festgehalten wurde, wie viele Wohnungen Sozialwohnungen sein werden.

Da an das Bauvorhaben auch die Übertragung des Grundstücks für einen Schulneubau an das Land Berlin gekoppelt ist, verzögert sich durch die Blockade auch der Bau der dringend benötigten Schule. Das wog schwer. Die SPD-Fraktion verließ daraufhin im Oktober geschlossen die BVV. Die Abstimmung wurde verschoben. Bonava und Linke warfen sich gegenseitig Erpressung vor.

„Es wurden viele Fehler gemacht“, gab BVV-Vorsteher Rainer Bosse (Linke) am Donnerstag vor der Abstimmung zu bedenken. „Es bringt jedoch nichts, wir müssen nach vorne Blicken und dürfen keine neuen Fehler machen.“ Zuvor hatten Verordnete der SPD und der CDU sowie der Linksfraktion noch einmal eindeutig Stellung bezogen. Die Sachlage hätte sich nicht geändert, der Investor Bonava habe sich kein Stück bewegt, bemerkte Kerstin Zimmer, Fraktionsvorsitzende der Linken. „Wir werden erpresst, mit einer Schule als Faustpfand“, ergänzte Roman Veressov (Linke). Der Bezirk brauche jede einzelne Sozialwohnung.

Lichtenberg braucht dringend Schulen - und Wohnungen

Der Bezirk braucht jedoch auch dringend Schulen. „Wir können uns eine Verzögerung des Schulbaus nicht leisten“, mahnte Kevin Hönicke (SPD), der 2021 die Nachfolge für Stadträtin Birgit Monteiro antreten soll. Benjamin Hudler (CDU) bezeichnete den Bauplan ob seiner umfangreichen Gestaltung sogar als Positivbeispiel. „Nicht zu bauen wäre das unsozialste“, meint Hudler. Am Ende waren es 31 Ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen und neun Enthaltungen.

Die Fraktionen von AfD, CDU und SPD hatten fast geschlossen für den Antrag gestimmt. Grüne und Linke enthielten sich oder stimmten dagegen. Man habe sich aus Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler des Bezirks der Planreife nicht länger in den Weg gestellt, ließ die Linksfraktion in einem anschließend veröffentlichten Faktenpapier verlauten.

Zur angespannten Situation in der BVV hatte in der vergangenen Woche auch ein E-Mail aus dem Büro von Innensenator Andreas Geisel beigetragen. Die Mail stammte von Geisels Mitarbeiter Philipp Marten und war unter anderem an die Vertreter des Bezirkselternausschuss Schule (BEA) von Lichtenberg gesendet worden.

Die Gesamtelternvertretung der Karlshorster Schule sowie die Elternvertreterinnen und -vertreter wurden in dem Schriftstück darum gebeten, sich „zu überlegen, ob Sie die BVV-Mitglieder der Linkspartei, der AfD und der Grünen nochmals vor der BVV-Sitzung […] von der Bedeutung dieses Bauprojekts in Kenntnis zu setzen und deutlich zu machen, dass eine Stimme gegen die Parkstadt eine Stimme gegen die Grundschule ist.“ Schließlich würden sie und die SPD „das gleiche Ziel verfolgen, nämlich mit dem Bau dieser neuen Grundschule […] für Entlastung in Karlshorst zu sorgen.“

Irritation über Mail des Innensenators

Geisels Büroleiter Marten erklärte auf Anfrage: „Herr Geisel wusste nicht vorher von der thematisierten E-Mai.“ Er habe die Mail eigenhändig in seiner Funktion als Leiter des Abgeordnetenbüros von Geisel verschickt. „Aber in der Sache besteht zwischen uns Einigkeit: die Schaffung von Wohnungen, Schul- und Kitaplätzen in seinem Wahlkreis besitzt höchste Priorität.“ Es sei außerdem Geisels „genuine Aufgabe als gewählter Abgeordneter, an der politischen Willensbildung vor Ort mitzuwirken“.

„Ich bin schockiert von dieser Mail“, kommentierte am Donnerstag in der BVV Claudia Engelmann (Linke) den Versuch, die Eltern des Bezirks aufzuwiegeln. Auch Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) ist verwundert. „Es ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, zum Protest gegen den eigenen Koalitionspartner aufzurufen“, meint Grunst.

Aber was sagen die betroffenen Eltern zur Mail? Auch sie sind wenig begeistert. Björn Sacknieß, Anwohner in Karlshorst und Mitglied des Elternnetzwerks vor Ort, äußerte sich als Gastredner in der BVV äußerst ungehalten über den Vorgang. „Mails und Briefe an Eltern gehören nicht in unser demokratisches Umfeld. So etwas möchte ich mir verbitten.“ Seit Jahren würden die Eltern in Karlshorst auf das Thema hinweisen. Die Fraktionen der BVV hätten sich erpressbar gemacht. „Wir wollen da nicht mit reingezogen werden.“

Eltern fühlen sich nicht ernst genommen

Stephanie Janecke, Mitglied des BEA Lichtenberg und des Elternnetzwerks Karlshorst, ist ebenfalls erstaunt über die Mail und lehnt das Vorgehen, die Eltern für politische Zwecke zu instrumentalisieren, ab. Sie fühlt sich nicht ernstgenommen. Wie auch Sacknieß verweist sie auf das jahrelange Engagement der Eltern. „Seit 2016 werden wir als hysterische Eltern in die Ecke gestellt.“

„Der Politik fehlt es an zukunftsorientierten Konzepten“, meint Janecke. Die in der Parkstadt geplante Schule, die laut Plan 2023 ans Netz gehen soll, ist für sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Das ist keine langfristige Lösung.“ Bezirksbürgermeister Grunst ist die kritische Lage bewusst. „Wir sind mit dem Schulneubau mindestens fünf Jahre zu spät“, gibt er zu. Es falle ihm schwer etwas dagegenzuhalten. Es habe bei seiner Amtsübernahme 2016 keine belastbare Planung für Karlshorst gegeben. Im Moment überprüfe man neben dem Projekt in der Parkstadt noch drei weitere Schulstandorte. Für die aktuell betroffenen Eltern und ihre Kinder kommen diese Maßnahmen jedoch zu spät.

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