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Die Verwaltung hätte den Streifen gern als "Versickerungsfläche" für Regenwasser. Allerdings verläuft direkt darunter ein U-Bahntunnel.

© Simulation: SenUVK/Freese

Streit über Parkplätze auf Karl-Marx-Allee: Wie ein Grünstreifen den halben Berliner Senat beschäftigt

Autos oder Wiese auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee in Mitte? Diese Frage ist längst zum Politikum geworden. Nun werden die Anwohner angehört.

Nüchtern betrachtet geht es nur um eine Fläche von 800 Metern Länge und knapp zehn Metern Breite. Doch der Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee beschäftigt längst den halben Berliner Senat – und verursacht koalitionsinternen Krach. In den Hauptrollen: Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke), ebenfalls auf der Bühne der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD).

Im Kern geht es um die Frage, ob der Mittelstreifen grau oder grün werden soll. Ob darauf wie bisher Autos parken dürfen oder ob er zur Grünfläche wird. Inzwischen geht es aber um viel mehr. Der Vorwurf gegen Regine Günther, die auch Umweltsenatorin ist, lautet: Missachtung des Bürgerwillens und des Denkmalschutzes.

Stolze Magistrale. Die Karl-Marx-Allee soll Weltkulturerbe werden. Der Bewerbung könnte ein Grünstreifen in der Mitte schaden, fürchtet der Kultursenator.
Stolze Magistrale. Die Karl-Marx-Allee soll Weltkulturerbe werden. Der Bewerbung könnte ein Grünstreifen in der Mitte schaden, fürchtet der Kultursenator.

© Kai-Uwe Heinrich

Bereits seit dem 18. Jahrhundert existiert die bedeutende Magistrale zwischen Frankfurter Tor und Alexanderplatz, ihre sozialistisch-klassizistische Optik erhielt sie in der DDR. Doch seitdem nagte der Zahn der Zeit an Asphalt und Platte. Stück für Stück wird die Straße deshalb saniert, seit Januar 2018 der Abschnitt zwischen Strausberger Platz und Alexanderstraße. In drei Bauphasen und circa 26 Monaten wollte die Verkehrsverwaltung für rund 13,2 Millionen Euro die Asphaltschichten erneuern und teilweise auch neu gestalten. So soll es künftig vier statt sechs Spuren für den Autoverkehr geben und dafür gesicherte Radstreifen. In den alten Plänen, die nach Bürgerbeteiligungsverfahren erstellt worden waren, sollten auf dem Mittelstreifen zudem zumindest 173 Parkplätze erhalten bleiben.

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Doch dann veröffentlichte die Verkehrsverwaltung Anfang Dezember eine Simulation der künftigen Straße. Darauf keine parkenden Autos, sondern eine grüne Wiese mit roten, gelben und blauen Blumen. Idyll statt Blech.

Warum Regine Günther Änderungen will

Begründet wurden die Änderungen von Günther mit dem im Sommer 2018 erlassenen Mobilitätsgesetz und dem Klimaschutz. „Die bevorstehende Neugestaltung der Karl-Marx-Allee bewahrt damit einerseits den besonderen Charakter dieser wichtigen Magistrale und sorgt gleichzeitig dafür, dass sie als öffentlicher Ort deutlich an Qualität gewinnt und sich so in die nachhaltige Umgestaltung unserer Stadt einfügt“, schreibt die Verkehrsverwaltung in einer Pressemitteilung vom 5. Dezember. Die Anwohner wurden erst im Anschluss informiert.

Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Bezirksstadtrat Gothe warf der Senatorin Missachtung von Bürgerbeteiligung vor, Kultursenator Lederer sorgte sich um den Denkmalschutz – die Karl-Marx-Allee soll bald Unesco-Weltkulturerbe werden – und Bürgerinitiativen mobilisierten sich auf beiden Seiten. Kurz darauf schaltete sich auch der Regierende erbost ein: „Das kann die Verkehrs- und Umweltverwaltung gar nicht allein entscheiden“, sagte Müller. Der Krach in der Adventszeit war perfekt.

Entschieden ist laut Stadtrat Ephraim Gothe noch nichts

Rund zwei Monate später ist Ruhe, aber kein Frieden in die Sache gekommen. Verkehrs- und Kulturverwaltung haben inzwischen Gespräche geführt, an denen auch der Landeskonservator Christoph Rauhut und Baustadtrat Gothe teilnehmen durften. „Es waren konstruktive Gespräche mit dem Willen zur Einigung“, sagte Gothe dem Tagesspiegel. Ihm zufolge habe es einen „Annäherungsprozess“ zwischen beiden Verwaltungen gegeben. Details wollte er nicht nennen, es gebe noch keine finale Einigung. „Meine Rolle war es, darauf hinzuweisen, dass es ein Partizipationsdefizit gibt“, sagt der Baustadtrat.

Dem ist die Verkehrsverwaltung inzwischen nachgekommen, an diesem Montagabend (18 Uhr) will die Senatorin im Kino International die Anwohner über die Hintergründe der Planänderungen „informieren und mit ihnen ins Gespräch kommen“. An dem Bürgerdialog werden auch Gothe, Rauhut und Kultur-Staatssekretär Gerry Woop teilnehmen. Doch was können die verärgerten Bürger dort noch mitbestimmen?

Der Grünstreifen – ein gut begründeter Plan?

„Wir veranstalten einen Bürgerdialog, um Argumente und Hinweise anzuhören und für die endgültige Entscheidung einbeziehen zu können“, teilte Jan Thomsen, Sprecher der Umwelt- und Verkehrsverwaltung, dem Tagesspiegel vorab auf Nachfrage mit. „Wir bauen daher derzeit auf der Karl-Marx-Allee nur so weit, dass auf dem Mittelstreifen noch alles möglich ist.“ Es gebe also keine Vorfestlegungen, „alle Optionen bleiben auf dem Tisch“. An den Zielen der Senatorin lässt er jedoch keinen Zweifel: „Die Position der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat sich inhaltlich nicht geändert: Es bleibt unser gut begründeter Plan, einen Grünstreifen zu bauen.“

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