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Vorzeigeprojekt. Auf dem ehemaligen Mauerstreifen an der Harzer Straße in Alt-Treptow will die Baugenossenschaft DPF Mietwohnungen errichten. 400 Interessenten hätten sich schon gemeldet. Aber das Bauamt des Bezirks meint, das Bauvorhaben passe nicht in die Umgebung.

© Thomas Loy

Streit um Bauvorhaben in Alt-Treptow: Warum ein Berliner SPD-Stadtrat günstige Wohnungen nicht genehmigt

In Alt-Treptow sollen 101 kostengünstige Wohnungen entstehen, auf einem Filetgrundstück. Doch die Genossenschaft liegt mit der Verwaltung im Clinch. Warum?

Das Bauschild steht schon. Bezahlbare Wohnungen sollen entstehen, genossenschaftlich finanziert, direkt auf dem Mauerstreifen zwischen Alt-Treptow und Neukölln, sehr gefragte Gegend. Hier werden bereits Mieten gezahlt wie in Prenzlauer Berg. Könnte sein, dass die Bauherren bald ein Transparent drüberkleben, vorbereitet ist schon alles: „Verhindert durch die SPD.“

Die Baugenossenschaft DPF will 101 Wohnungen bauen, auf eigenem Grundstück, erhält dafür aber keine Baugenehmigung vom Bezirk. Der Bauantrag wurde schon im September 2019 gestellt, im Frühjahr wollten die Baugenossen loslegen.

Doch SPD-Genosse Rainer Hölmer, Baustadtrat von Treptow-Köpenick, gab kein grünes Licht, weil seine Bauamtsleiterin den Entwurf ablehnt. Die Gebäude seien zu massiv, Abstände zu gering, das Bauvorhaben füge sich nicht in die Umgebung ein, sagt Hölmer.

Ursprünglich sollten nur 77 Wohnungen entstehen, dann habe die DPF eine neue Planung mit 101 Wohnungen eingereicht, dieser Entwurf sei nicht mit dem Bauamt abgestimmt gewesen. Das weist DPF-Vorstand Andreas Böhm zurück. „Es gibt dazu einen Vermerk.“

Ein paar Blöcke weiter südlich sind die Bouchégärten entstanden, dicht bebaut mit sieben Etagen und einem Querriegel, sagt Böhm, „warum sind die denn genehmigt worden?“ Seit vier Monaten drücke sich Hölmer um eine Entscheidung herum. Die DPF klagt jetzt wegen Untätigkeit des Bezirksamts vor dem Verwaltungsgericht.

Genossenschaft spricht von Verrat an der Wählerschaft

„Wir wollen günstigen Wohnraum schaffen, auf einem Grundstück, das inzwischen 20 Millionen Euro wert ist“. Die Baugenossen hätten beim Erwerb 2007 nur einen Bruchteil davon bezahlt. Damals wollte kaum jemand in Alt-Treptow investieren. Würde die DPF die 5000 Quadratmeter große Mauerbrache verkaufen, wären die Baugenossen reich – und Hölmer stünde erheblich unter Druck, „das ist Verrat an seinen Wählern“, schimpft Böhm.

Seitdem das Bauschild steht, hätten sich schon 400 Interessenten gemeldet, sagt Böhm. Der Konflikt mit dem Bezirksamt ziehe inzwischen Kreise, auch mehrere SPD-Politiker hätten sich bei ihm gemeldet, der Streitfall liegt seit einigen Tagen bei der Wohnungsbauleitstelle der Senatsverwaltung für Wohnen.

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Die fungiert als Schlichtungsstelle, wenn Bauvorhaben ins Stocken geraten. „Wir haben ein großes Interesse daran, hier eine genehmigungsfähige Lösung zu finden“, sagt Hölmer – die Berliner SPD und der Noch-Landesvorsitzende Michael Müller sicher auch.

Seit Jahren klagt die Landesregierung, dass die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften vor allem ihren Besitz verwalten, aber zu wenig in den Neubau von Wohnungen investieren. Der Senat kann sie aber nicht einfach anweisen wie die stadteigenen Wohnungsbaugesellschaften.

Die DPF vermietet rund 3800 Wohnungen in Berlin.
Die DPF vermietet rund 3800 Wohnungen in Berlin.

© imago/Klaus Martin Höfer

Verpflichtet sind die Vorstände der Genossenschaften vor allem ihren Mitgliedern. Und die stellen sich oft gegen Neubaupläne, weil sie höhere Mieten befürchten oder die Verschattung ihrer Wohnungen, wenn Siedlungen nachverdichtet werden.

Der Verband der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften sieht drei Gründe für die fehlende Baukultur: Der Mietendeckel, zu komplizierte Planungsverfahren und fehlende Grundstücke. Die ehemalige Wohnungsbausenatorin Katrin Lompscher (Linke) hatte den Genossenschaften landeseigene Grundstücke angeboten, aber bei genauerem Hinsehen erwiesen sich die meisten als ungeeignet.

Genossenschaft hatte Grundstücke einmal zu Schnäppchenpreisen gekauft

Allein der Mietendeckel habe die Planungen für Neubauten in den nächsten Jahren fast zum Erliegen gebracht, sagt Sprecherin Monika Neugebauer. Statt 6000 neue Genossenschaftswohnungen würden wohl nur 2000 entstehen. Die Grünen hatten sich dafür eingesetzt, die Baugenossenschaften vom Mietendeckel auszunehmen, doch die Koalition wollte ein Gesetz für alle Wohnungsbestände.

Die DPF ist 1957 als „Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Deutsche Post Berlin“ gegründet worden und hat derzeit rund 6000 Mitglieder und 3800 Wohnungen in ganz Berlin. Die Genossenschaft hat ihre Baugrundstücke in Treptow, Pankow und Baumschulenweg selber erworben, aus heutiger Sicht zu Schnäppchenpreisen.

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In Pankow-Rosenthal hat die DPF 2007 nach eigenen Angaben 130 Euro für den Quadratmeter ausgegeben, inzwischen liegen die Bodenrichtwerte in der Gegend zwischen 600 und 1300 Euro. Der Grundstückspreis in Alt-Treptow sei um den Faktor 25 gestiegen. Natürlich wolle man nicht verkaufen, sagt Vorstand Andreas Böhm, aber möglichst vielen Menschen günstigen Wohnraum bieten.

In der Gegend würden bis zu 20 Euro pro Quadratmeter kalt bezahlt, das Thema Verdrängung ist im Kiez allgegenwärtig. Der Bezirk, also die Bauverwaltung, hat ein Milieuschutzgebiet eingerichtet. Jeder Hausverkauf werde geprüft, sagte Hölmer. 2018 wurde in Alt–Treptow erstmals das Vorkaufsrecht ausgeübt, aber im Vergleich zu Friedrichshain-Kreuzberg sind das seltene Ausnahmen. Vielfach sind die geforderten Kaufpreise kaum noch finanzierbar.

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