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Wahrzeichen der alten Mitte, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Eprochen: Die Marienkirche und der Fernsehturm, links der Hotelturm am Alexanderplatz.

© Paul Zinken/dpa

Exklusiv

Streit um die Alte Mitte in Berlin: Alte Mitte in Berlin: "Sinnlose Verschwendung öffentlicher Mittel"

Die Alte Mitte in Berlin soll neu gestaltet werden. Wie, darüber wird schon länger heftig diskutiert. Nun übt eine Gruppe Experten harte Kritik am Senat.

18 Mal Ärger für die Senatsbaudirektorin: Namhafte Architekten, Planer und Historiker der Stadt kritisieren Regula Lüschers "Dialogprozess Alte Mitte Neue Liebe". "Eine sinnlose Verschwendung öffentlicher Mittel" sei die Reihe von Veranstaltungen, mit denen der Senat die Grundlagen für eine Planung des Geländes nördlich vom Roten Rathaus zwischen Fernsehturm und Schloss legen möchte. Anders als der Eindruck, den Lüscher in der öffentlichen Darstellung erwecke, sei der Dialog "grundsätzlich falsch ausgerichtet" und bisher mehr als enttäuschend verlaufen.

Zu den Unterzeichnern der Kampfansage zählen die Professoren Harald Bodenschatz (Stadtplanung/Architektursoziologie), Wolfgang Schäche (Architekturgeschichte) und Eberhard von Einem (Stadt- und Regionalökonomie), der Planer Dieter Hoffman-Axthelm, der Architekt Bernd Albers, der Schriftsteller und Kritiker Gerwin Zohlen sowie der Maler und Journalist Klaus Hartung. Sie fordern Lüscher dazu auf, den Dialogprozess nach der Sommerpause neu auszurichten.

Heftiger Streit auch zwischen SPD und CDU

Eigentlich sollte die aufwendige Reihe aus öffentlichen Diskussionen, Kolloquien und Bürgerwerkstätten dabei helfen, den Streit über die Gestaltung und Nutzung der ältesten und zentralsten Flächen Berlins in eine Debatte zu lenken. Grob gesagt stehen sich bisher die Gegner und Befürworter einer Rekonstruktion der historischen Straßen, Plätze und Häuser auf der Fläche an der Marienkirche unversöhnlich gegenüber. Die Spaltung verläuft auch quer durch die Koalition, wobei die SPD eher zu einer Erhaltung bestehender Freiräume neigt, die CDU aber eine Bebauung mit zeitgenössischer Architektur nicht ausschließt.

Ähnlich gespalten sind Architekten und Planer. Zumal die Gestaltung der Mitte gleich eine ganze Reihe äußerst sensibler Fragen aufwirft: Hat die noch erhaltene Gestaltung aus DDR-Zeiten, die vor allem aus der Vogelperspektive vom Aussichtsrestaurant an der Spitze des Fernsehturms sichtbar wird, bereits den Charakter eines Denkmals, was die Linke und wohl auch Lüscher eher bejahen würden? Sollte die als Solitär von der Stadt abgeschnittene Marienkirche nicht durch Neubauten wieder in das Umfeld eingebettet werden, wie es die Kirche gern hätte?

Doch statt diese Fragen aufzuwerfen, so die abtrünnigen Verfasser des Schreibens, "diskutiert Berlin seit Monaten eine weitere Ballermannisierung des Stadtkerns", zu beobachten etwa am Gruselkabinett "Dungeon" oder der Dauerausstellung "Körperwelten" des Plastinationsexperten Gunther von Hagen im Gebäude am Fuße des Fernsehturms.

Thema verfehlt, lautet das Zeugnis der renommierten Planer und Professoren, zumal die Veranstaltungen nach ihrer Auffassung bisher "nur eine verschwindend kleine Minderheit der Berliner erreichen": Seien bei der Auftaktveranstaltung noch rund 600 Teilnehmer gezählt worden, seien es zum zweiten Fachkolloquium nur noch 120 gewesen und bei der Bürgerwerkstatt bloß noch 80.

Experten werfen Senat und Verwaltern grobe Fehler vor

Und die Kritik geht an die Substanz, denn die Experten werfen der Senatsbauverwaltung und seiner externen Veranstaltungsagentur grobe handwerkliche Patzer vor: "Es mangelt nahezu an jeglicher fachlichen Information zum strittigen Areal, die allgemein verfügbar wäre (Broschüre, Ausstellung, Einführungsfilm)", heißt es in dem Brief. Der Senat leide an "kognitiver Verzerrung", was grob vielleicht mit Geschichtsvergessenheit übersetzt werden könnte: Der Senat "tut so, als wäre vor 1933, vor 1990 und selbst vor 2015 nichts Erinnerungswertes gewesen. Die gesamte Planungs-, Bau- und Besitzgeschichte der Vormoderne, des Nationalsozialismus, der DDR und der Nachwendezeit wird ausgeblendet".

Die Bauverwaltung wies die Kritik zurück: Der "Dialogprozess Alte Mitte Neue Liebe" sei von Anfang an als ergebnisoffener Prozess angekündigt worden. Dieser laufe bis Ende 2015 und solle mit "verschiedenen Formaten der Beteiligung" einen gemeinsamen Vorschlag für die Entwicklung des Rathausforums erarbeiten. Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt habe gleich zu Beginn gesagt, dass es nicht darum gehen könne, dass sich am Ende die einen über die anderen hinwegsetzen dürften.

Der Senat erklärt die Kritik damit, dass "die Richtung der gemachten Vorschläge" einigen Teilnehmern "nicht gefällt". Dies bedaure man sehr. Es sei aber "gelebte Demokratie, die Meinungen der anderen zu hören und anzuerkennen". Man könne nicht die Einbindung der Bevölkerung ablehnen, "sobald einem die Vorschläge der Bevölkerung nicht gefallen". Die Diskussion solle nicht den Experten überlassen werden. Zudem seien Fachkolloquien mit Experten Teil des Partizipationsverfahrens.

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