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Streit um ehemaliges Reichsvermögen: Pläne für Tegel werden teurer

Nach einem Gerichtsurteil muss das Land Berlin das Flughafen-Grundstück für die spätere Nutzung wohl vom Bund zurückkaufen. Auch um weitere vier Grundstücke wurde gestritten.

Von Fatina Keilani

Die neue Runde im Kampf um das ehemalige Reichsvermögen hat Berlin verloren. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) urteilte am Donnerstagabend, das Land habe die Frist zur Geltendmachung seiner Ansprüche versäumt und zum Teil auch den falschen Adressaten verklagt. Das kann teuer werden – zu den begehrten Grundstücken gehört auch ein Großteil des Flughafengeländes in Tegel, für dessen Nachnutzung als Forschungs- und Industriepark der Senat im Februar erste Pläne vorgestellt hatte.

Es ist gut möglich, dass Berlin dem Bund seinen Anteil jetzt abkaufen muss, so wie es bei Tempelhof geschah. Dafür hatte das Land 35 Millionen Euro zahlen müssen. Allerdings ließen die OVG-Richter die Revision zu; der Streit wird also voraussichtlich vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt. Die Klägervertreter waren am Abend nicht mehr erreichbar; nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung scheint es aber sehr wahrscheinlich, dass Revision eingelegt wird.

Ein anderes Grundstück, um das gestritten wird, ist die Niederkirchnerstraße 8, das Gelände der „Topographie des Terrors“. 1986 hatte Berlin es dem Bund für gut sechs Millionen Mark abgekauft; mit der Klage wurden gut drei Millionen Euro dafür zurückverlangt.

Auch um weitere vier Grundstücke oder die Erlöse aus deren Verkauf wurde jetzt vor Gericht gestritten. Da jedoch alle bis auf eins bereits vor 2005 verkauft wurden, hätte das Land nach Ansicht des OVG nicht die 2005 errichtete Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, sondern die Bundesrepublik verklagen müssen. Der Streit geht zurück auf das Jahr 1873. Damals überließen die Länder dem neu gegründeten Deutschen Reich unentgeltlich Boden. Was nicht für die Reichsverwaltung benötigt wurde, sollte an die Länder zurückfallen. Doch dann kamen die Nationalsozialisten mit ihrer Gleichschaltung, und die Rückgabe des Vermögens wurde nie vollzogen.

Im Jahr 1961 erließ der Bund das Reichsvermögen-Gesetz, das aber in Berlin zunächst nicht galt. Hier trat es erst am 3. Oktober 1990, also dem Tag der Wiedervereinigung, in Kraft. Es gibt den Ländern ein Jahr Zeit, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Frist lief am 2. Oktober 1991 ab. In dieser Zeit hat Berlin seine Ansprüche nicht angemeldet. Darauf berief sich der Bund – zu Recht, wie die Richter des elften Senats nun urteilten. Die Vorinstanz, das Verwaltungsgericht, hatte es anders gesehen und im Jahr 2010 dem Land Berlin Recht gegeben.

Die Fristenfrage war ein zentraler Punkt des Streits. Noch 1992 vertrat der Bund in einem Erlass an die Oberfinanzdirektionen die Meinung, die Einjahresfrist gelte für Berlin nicht. 1999 änderte er seine Rechtsauffassung grundlegend und beschied, sie habe doch gegolten, sei nun aber abgelaufen. Berlin möge eine fristgerechte Geltendmachung seiner Ansprüche nachweisen. Das Land Berlin hatte dem Bund schon 1956 eine detaillierte Liste aller Grundstücke übersandt, für die es einen Rückfallanspruch sah – diese übersandte es daraufhin erneut.

Insgesamt umfasst der Streit 6, 8 Millionen Quadratmeter im Wert von über 200 Millionen Euro. Das Land hatte aber, um Prozesskosten zu sparen, zunächst nur für fünf Grundstücke eine Musterklage eingereicht. Tegel war daher nicht Streitgegenstand vor dem OVG, das Urteil wirkt sich aber direkt darauf aus. Das Reichsvermögen-Gesetz verfolgte mit der Einjahresfrist eigentlich das Ziel, längere Ungewissheiten zu verhindern.

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