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Kein Streit ist illegal. Aber den Grünen nützt die interne Debatte ums Flüchtlingscamp am Otranienplatz nicht.

© dpa

Streit um Flüchtlingscamp am Oranienplatz: Die Grünen in Berlin – mal wieder zerrissen und zerstritten

Die Grünen streiten über die Flüchtlingspolitik. Nun greift der Landeschef mit einem Machtwort ein. Er kritisiert in harschen Worten den „Befindlichkeits-Zirkus“ seiner Partei. Doch da waren die süffisanten Nachrichten gegen Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop bereits bei Twitter gezwitschert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Grünen-Landeschef Daniel Wesener hat den eigenen Leuten die Meinung gegeigt. „Ich bin extrem verärgert über unsere Fraktion im Abgeordnetenhaus“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich erwarte Teamplay und keinen Befindlichkeits-Zirkus.“ Im Fraktionsvorstand nahm Wesener, sonst ein freundlicher Charakter, schon am Montag kein Blatt vor den Mund. Er will den innerparteilichen Streit um das Camp am Oranienplatz und die besetzte Kreuzberger Schule, der sich öffentlichkeitswirksam aufgeschaukelt hat, so schnell wie möglich beenden. Notfalls mit einem Machtwort.

Ausgangspunkt des Konflikts waren Interviews der Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Die Zustände in der besetzten Schule seien unhaltbar, ließ sie wissen. Die Menschen dort könne man mit ihren Problemen nicht sich selbst überlassen, der Versuch der Selbstverwaltung sei gescheitert, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg „habe Verantwortung“. Und: Die Sicherheitsfrage rund ums Haus müsse vordringlich gelöst werden. Pop kam mit dieser Einschätzung bei den Parteifreunden in Friedrichshain-Kreuzberg nicht gut an. „Am schönsten sind immer unerbetene Ratschläge aus der dritten Reihe“, teilte der linke Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt per Twitter mit.

Grünenpolitiker wettern via Twitter gegen Ramona Pop

„Die Gute ist herzlich eingeladen mitzumachen – freitags ist immer Plenum in der Schule“, zwitscherte die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) in süffisantem Ton. Noch einen Schritt weiter ging die Grünen-Flüchtlingspolitikerin Canan Bayram, die ebenfalls dem Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg angehört. Sie warf Pop vor, nicht die Linie der Abgeordnetenhausfraktion zu vertreten, mit ihrer Sichtweise stehe sie ziemlich alleine da.

Die Grünen in Berlin – mal wieder zerrissen und zerstritten? Ihr Landeschef Wesener will unbedingt verhindern, dass wegen der Flüchtlinge „alte Grabenkämpfe wieder aufleben“. Zumal es in der Sache keinen ernsthaften Dissens gebe. Die Grünen müssten sich stattdessen darauf konzentrieren, sich mit dem rot-schwarzen Senat auseinanderzusetzen. Wesener gibt zu: Dieser öffentlich ausgetragene Streit sei für die Grünen „ein Rückschlag“. Er selbst beschränkt sich darauf, die Äußerungen der Fraktionschefin Pop in der „Berliner Zeitung“ als „unglücklich“ einzustufen. Sie habe „nichts Böses“ gewollt. Auch Bezirksbürgermeisterin Herrmann erhält eine Streicheleinheit. „Sie ist bemüht, in einer schwierigen Situation einen guten Job zu machen.“ Er sei sehr entschlossen, kündigte der Grünen-Landeschef an, zwischen den Kampfhähnen und -hennen ein „Stoppschild aufzustellen“.

Alles ein „großes Missverständnis“?

Die Fraktionsvorsitzende selbst nahm sich am Dienstag etwas zurück. In der Sache liege sie mit Herrmann „nicht so weit auseinander“. Von der anderen Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek erhielt Pop nun Rückendeckung – obwohl sie auch aus Friedrichshain-Kreuzberg – dem Kernland der Grünen – kommt. Es handele sich um ein „großes Missverständnis“ und man dürfe auch nicht vergessen, dass die Flüchtlingspolitik in Berlin eine Sache sei, „die vom Bezirk über den Senat, den Bund und die EU alle angeht“, sagte Kapek. Außerdem seien die laufenden Verhandlungen über das Camp und die besetzte Schule auf einem guten Weg. Aber auch Kapek weiß, dass es den Berliner Grünen jedesmal schlecht bekommt, wenn sie sich lauthals zerstreiten. „Wir dürfen uns nicht wieder mit einer Nabelschau gegenseitig bespaßen.“

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