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Die No-Sager. Im Süden Berlins formiert sich der Protest gegen die geplanten Flugrouten zum neuen Großflughafen.

© dapd

Streit um Flugrouten: Die Anwohner lärmen zurück

Rund 30 Bürgerinitiativen gegen die Flugrouten des neuen Großflughafens BBI haben sich bereits gegründet. Am Freitag treffen sie sich erstmals, um den Protest zu koordinieren.

Die Angst vor dem drohenden Fluglärm des Großflughafens in Schönefeld könnte zu einer bislang einzigartigen Protestbewegung an der südlichen Berliner Stadtgrenze führen. Am Freitag wird erstmals der Versuch unternommen, die bislang weitgehend örtlich begrenzt wirkenden Bürgerinitiativen an einen Tisch zu bekommen. Die Markthalle des Schlosses Diedersdorf bietet jedenfalls ab 18 Uhr genügend Platz für eine mögliche Allianz, die dann mehrere hunderttausend Einwohner vertreten würde. Seit der Veröffentlichung der möglichen An- und Abflugrouten zum Großflughafen in Schönefeld durch die Flugsicherung Anfang September haben sich mindestens 30 Bürgerinitiativen in Berlin und Brandenburg gegründet. Zwischen Eichwalde und Zeuthen im Osten über Lichtenrade, Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow bis nach Wannsee, Potsdam oder Kladow regt sich eine mehr oder minder heftige Ablehnung der vorgeschlagenen Flugkorridore, die mehr Menschen als bisher angenommen um ihre Ruhe bringen könnten.

Die Einladung hat der Bürgerverein Berlin-Brandenburg verschickt, der von Blankenfelde-Mahlow aus einen Flughafenbau in Schönefeld von Anfang an verhindern wollte. Bislang erhielt er von den Nachbarorten nur geringe Unterstützung. Ferdi Breidbach, seit Jahren bekanntester Kopf der Flughafengegner, forderte jüngst auf einer Bürgerversammlung eine „gemeinsame Strategie für einen sofortigen Baustopp und ein Nachtflugverbot“. Vor allem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) müssten zu Abstrichen in der bisherigen Planung bereit sein. Allerdings werde es nicht ganz leicht fallen, in der Frage der Flugrouten eine Einigung der Bürgerinitiativen zu erzielen. „Im Zweifelsfall handelt da jeder nach dem Sankt-Florians-Prinzip“, meinte er.

Das Treffen am Freitagabend erhält durch die Auftritte von Wowereit und Platzeck im Besucherzentrum in Schönefeld wenige Stunden zuvor noch eine zusätzliche Brisanz. Beide Politiker nehmen an der Tagung des sogenannten Dialogforums über die Auswirkungen des Flughafenbaus teil. In diesem Gremium sind die Bürgermeister von zwölf Städten und Gemeinden, die Bezirksämter Neukölln, Schöneberg-Tempelhof und Treptow-Köpenick, drei Landkreise, das Brandenburger Infrastrukturministerium, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Bundesverkehrsministerium und die Flughafengesellschaft vertreten. „Die Tagung ist nicht öffentlich“, teilte Dorothea Lawrenz von der Geschäftsstelle des Dialogforums mit. Hinterher werde es eine Pressekonferenz geben. Proteste von Bürgerinitiativen seien bisher nicht bekannt.

Derzeit versuchen aber noch viele Gemeinden, das drohende Fluglärm-Unheil im Alleingang abzuwenden. Besonders stark ins Zeug legen sich vor allem die Bürgermeister von Großziethen, Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow. Hier haben sich in den vergangenen Jahren tausende Berliner ein Grundstück und ein Haus gekauft. Keiner hat damit gerechnet, dass dort Maschinen entlangfliegen sollten. „Ich habe 1999 ein Grundstück im Süden Berlins gesucht und bin nach dem Studium aller mir zugänglichen Unterlagen auf das von Fluglärm freie Stahnsdorf gekommen“, sagt etwa Einwohner Claus-Peter Martensen. „Nun bin ich erschüttert darüber, dass ich jährlich 360 000 Flüge direkt über meinem Haus ertragen müsste.“

Inzwischen reagieren die möglicherweise Betroffenen ziemlich nervös auf jede kleinste Reaktion. So sieht sich der Vorsitzende der Fluglärmkommission, in der alle Orte rund um Schönefeld zusammenarbeiten, Bernd Habermann, plötzlich Forderungen nach einem Rücktritt ausgesetzt. Der langjährige Bürgermeister von Blankenfelde hatte auf einem Forum in Schönefeld wenig Verständnis für die Aufregung in den Kommunen der Region Teltow und in den betroffenen Berliner Bezirken geäußert. Dort belle der Hund lauter, als ein Flugzeug dröhne, meinte er. Umgehend protestierten Bürgerinitiativen von Stahnsdorf, Kleinmachnow, Teltow und Berlin gemeinsam.

Dabei hatte sich gerade Habermann in den vergangenen Jahren vergeblich um die Solidarität der Nachbargemeinden von Blankenfelde-Mahlow bemüht. „Wir hätten die Unterstützung der südlichen Berliner Bezirke und der Umlandgemeinden schon vor zehn Jahren gebraucht“, sagte Habermann. Damals seien die Blankenfelder allein gegen den Flughafenstandort Schönefeld ins Feld gezogen.

Jetzt sieht es so aus, als ob ausgerechnet Blankenfelde durch die neuen Routen entlastet wird. Damit das auch so bleibt, will die Gemeinde jetzt den Bau eines neuen Wohngebietes in Angriff nehmen, das bislang unter den Flugschneisen lag. Nachfragen nach Grundstücken gebe es genügend, vor allem seit Veröffentlichung der neuen Flugrouten, hieß es von der Gemeinde.

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