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Berlin: Streit um laute Musik: HaftfürMesserstiche

29-jähriger Akademiker verletzte Nachbarn am Hals

Ruhig und stets um das passende Wort bemüht wirkte Jason M. während des Prozesses. Der schmale, elegante USAmerikaner ist promovierter Sprachwissenschaftler. Er sollte sie beherrschen, die Kunst der Kommunikation. Doch an einem frühen Morgen setzte er nicht auf das Wort. Der 29-jährige M. zog im Streit um zu laute Musik ein Messer und verletzte einen Nachbarn schwer. M. hatte sich auf Notwehr berufen. Die Richter sahen das anders. Gegen Jason M. erging eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.

Der Akademiker habe sich des versuchten Totschlags sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, befand das Landgericht. Jason M. sei gesundheitlich angeschlagen und wegen lauter Musik aus der Wohnung eines Nachbarn in Rage gewesen, hieß es. Er habe sich in die Situation hineingesteigert und im Affekt zugestochen, als ihn sein Nachbar beim Öffnen der Tür anbrüllte.

Es geschah in der Nacht zum 8. November letzten Jahres in der Mittenwalder Straße in Kreuzberg. Gegen vier Uhr schreckte der Sprachwissenschaftler aus dem Schlaf. Er wartete zehn Minuten, ging dann ins Treppenhaus. „Es war klar zu hören, aus welcher Wohnung der Lärm kam“, meinte M. im Prozess. Er ging einen Stock höher, um den Störenfried zur Rede zu stellen. „Viermal klingelte und klopfte ich, erst dann öffnete ein Mann mit freiem Oberkörper.“

Was sich vor der Tür abspielte, schilderten M. und sein Nachbar Ralph P., ein 31-jähriger Regieassistent, völlig unterschiedlich. M. berief sich auf einen Angriff des späteren Opfers. P. habe ihn sofort in den Schwitzkasten genommen. In Todesangst will er nach seinem Klappmesser in der Hosentasche gegriffen haben. Der Regieassistent räumte ein, dass er nicht gerade freundlich die Tür geöffnet habe. M. aber habe nicht diskutiert, sondern zugestochen. P. wurde durch Stiche in den Hals und ins Bein verletzt.

Jason M. stammt aus Georgia. Seit vier Jahren lebt er in Deutschland. Er galt in dem Wohnhaus als ruhiger, zuvorkommender Mensch. Die Tat passt nicht zu ihm. Eine Gutachterin sprach im Prozess von einer Affekttat, die dem Amerikaner wesensfremd sei. So argumentierten auch seine Anwälte. Sie forderten Freispruch wegen einer Notwehrsituation.

Die Richter aber beurteilten die Angaben des damals angetrunkenen Regieassistenten als glaubhafter. Die Aussagen des Angeklagten schienen ihnen „zum Teil auswendig gelernt und konstruiert“. Sichtlich geschockt verließ Jason M. den Gerichtssaal. Bis zum Strafantritt bleibt er unter Meldeauflagen frei. Seine Verteidiger kündigten Revision an.K. G.

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