zum Hauptinhalt
Ziemlich zentral. Und derzeit hoch umstritten: der Checkpoint Charlie.

© Getty Images/iStockphoto

Streit um Neubauten: Frontstellung am Checkpoint Charlie: Senatorin in der Kritik

Bausenatorin Lompscher verteidigt private Finanzierung von Planverfahren für Neubauten am Gedenkort und macht Tempo. CDU ist verstört und beantragt Akteneinsicht.

Der Streit um die Gestaltung des früheren Grenzkontrollpunkts Checkpoint Charlie erregt international Aufmerksamkeit und weitet sich zum Politikum aus. Während die Londoner „Times“ die Kritik von Experten im Tagesspiegel am undurchsichtigen Planungsverfahren aufgreift – der Checkpoint ist als bekanntester Schauplatz des Kalten Krieges heute eher Treffpunkt für Touristen als für Berliner – erhöht sich der Druck auf die Senatorin für Stadtentwicklung.

Ihr hartnäckiges Schweigen auf Fragen zur Verbindung ihrer Verwaltung mit einem von vielen bauwilligen Entwicklern vor Ort brach Katrin Lompscher (Linke) am Freitag. Sie rechtfertigte ihr Vorgehen und kündigte an, das Verfahren zügig fortzuführen. Grüne, CDU und FDP reagierten teils scharf.

Und das geschah bisher: Zwei Gutachter (Theresa Keilhacker und Christoph Sommer), die am Verfahren zur Planung von Neubauten rund um den geschichtsträchtigen Ort beteiligt sind, üben scharfe Kritik an den planerischen Grundlagen für die Entwicklung, weil diese Wünschen von „Trockland“ folgten. Die Firma ist zwar überhaupt nicht Eigentümerin der Baugrundstücke. Trotzdem soll ein „Hard Rock Hotel“ nach Entwürfen von Graft Architekten entstehen, nur weil die private Firma es so will. Weil Trockland außerdem viel kommerziell nutzbare Fläche bauen will, sehen die am Donnerstag erstmals gezeigten Pläne von sieben Architekten Hochhäuser vor oder extrem dicht gedrängte Häuserzeilen.

Warum einzelne Senatsverwaltungen genau dieser Firma schriftliche Zusagen machten, deren Details geheim gehalten werden, wirft ebenso Fragen auf wie die Auswahl von Architekten sowie Gutachtern, die über deren Entwürfe entscheiden. Stehen diese auf der Payroll des gewieften Entwicklers? Und warum präsentiert eine Stadtentwicklungssenatorin, die ansonsten eher kritische Distanz zu Investoren hält, das Ergebnis des Verfahrens ausgerechnet im Rohbau von Trockland?

Was ist mit der Senatorin los? Sie handelt untypisch

„Trockland finanziert das Gesamtverfahren“, hieß es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die „Bezahlung der Architekten“ – sie hatten Honorare für ihre Entwürfe erhalten – „erfolgt sowohl vom Investor als auch von unserer Verwaltung“. War die Bezahlung des Verfahrens durch die Firma auch die Eintrittskarte für deren Chef in das „Gutachter“-Gremium? Die Verwaltung jedenfalls listet Trockland-Unternehmer Heskel Nathaniel als einen  „Obergutachter“. Ihm zur Seite stehen Vertreter von zwei Senatsverwaltungen (Kultur/Stadtentwicklung), der Bezirke (Mitte/Friedrichshain-Kreuzberg), zwei Architekten aus München, ein Landschaftsplaner aus Berlin. Damit sei man Vorschlägen von „Verwaltung und auch Trockland“ gefolgt.

Lompscher hatte am Freitag erstmals selbst Position bezogen in dem Streit, der Anfang der Woche hochkochte. In einer Erklärung ließ sie verbreiten, dass das Gutachtergremium die nur wenige Stunden lang an drei Tagen (an diesem Sonnabend zwischen 12 und 20 Uhr im Rohbau Zimmerstraße 92) gezeigten Entwürfe bereits am kommenden Montag beraten werde und das dann aber auch schon „Grundlage für den anschließenden Realisierungswettbewerb“ sei. Das deckt sich mit Aussagen von Trockland, wonach „der Architektenwettbewerb recht bald starten“ soll.

Beobachter des Streits reiben sich die Augen über das rasende Tempo mitten in der Sommerpause – Lompscher ist bisher eher für die Entschleunigung von Bauprojekten bekannt. Beim Neubau von Wohnungen verfehlt der Senat deshalb seine Ziele im Kampf gegen die Wohnungsnot.

Über das ungewöhnliche Gutachter-Verfahren äußerten sich auch Teilnehmer bei der Vernissage am Donnerstag irritiert, weil nur Entwürfe rund um ein zuvor schon geplantes Hard-Rock-Hotel erlaubt seien, was in Absprachen der von Lompscher geführten Verwaltung mit Trockland nach deren Vorgaben gebaut werden soll.

Auch über den Umfang der „Beteiligung“ gehen die Darstellungen auseinander. Während Lompscher „drei öffentliche Veranstaltungen mit bis zu 250 Besuchern direkt vor Ort“ aufzählt, erzählen Teilnehmer von zuletzt einer „Handvoll Bürgern“, einer Schar von Architekten, Verwaltungsleuten und Experten und einer „einschüchternden Armada von Rechtsanwälten der Firma Trockland in der ersten Publikumsreihe“.

„Abenteuerlich“ nennt CDU-Generalsekretär und Stadtentwicklungsexperte Stefan Evers, dass ausgerechnet die „selbst erklärte Beteiligungssenatorin per Order di Mufti Parlament und Abgeordnetenhaus umgehen will“. Die CDU werde Akteneinsicht beantragen, um den Inhalt der Absichtserklärung von Senatsverwaltungen mit dem bevorzugten Entwickler und um die Einflussnahmen im Beteiligungsverfahren offen zu legen. „Da veranstaltet jemand, der nicht mal Eigentümer der Flächen ist, ein Verfahren, obwohl er überhaupt keinen Anspruch auf politische Verbindlichkeit hat.“

Erfolg durch Public Private Partnership?

Der baupolitische Sprecher der FDP, Stefan Förster, mahnte, mit der „nötigen Sensibilität für diesen geschichtsträchtigen Ort“ vorzugehen. Es müsse ja nicht alles bleiben, wie es ist, „aber ein maßloses Zubauen der historischen Blickbeziehungen schadet der Authentizität des Stadtbildes“.

Im Kampf um den Checkpoint geht es auch um das geplante Museum zum Kalten Krieg. Hanno Hochmuth, Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, forderte, die geplante „fundierte Ausstellung, die den historischen Ort in einen größeren historischen Kontext einbettet“. Hochmuth weiter: „Ohne eine Public-private-Partnership wird es am Checkpoint Charlie kaum eine Lösung geben“.

Hochmuth ist Mitglied im „Verein Zentrum Kalter Krieg“, das die bestehende Bildergalerie sowie die „Blackbox“ am Checkpoint mitinitiierte und auf eine Beteiligung an dem Museumsprojekt hoffen darf. Kritiker wenden ein, dass derartige Partnerschaften des Landes mit Privaten bisher oft zu Lasten Berlins ausgingen, so wie im Fall der Ku’damm-Bühnen, die zunächst den Privaten sichere Mieteinnahmen bescherten, später aber zur vorläufigen Liquidation des Betriebes vor Ort führte. Die Weiterentwicklung des Checkpoints als Gedenkort mit einem Museum ist in der Debatte unumstritten.

Bedeckt hält sich Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Über seine Verwaltung lässt er aber mitteilen, dass er – anders als die Grünen jüngst befürchteten – sehr wohl an den „Zielen der Koalitionsvereinbarung“ festhält, die am Checkpoint nicht vorrangig Renditeobjekte, sondern einen Gedenkort vorsehen. (Mitarbeit: Andreas Austilat)

Zur Startseite