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Das Jüdische Museum in Berlin-Kreuzberg. Für den neuen Platz vor dem Museum wurde noch kein Name gefunden.

© dpa

Streit um neuen Platz am Jüdischen Museum: Ein Ehepaar ist keine Frau

Der Quotenstreit am Jüdischen Museum wird immer absurder. Erst sollte er nach Regina Jonas, dann nach Moses Mendelssohn benannt werden. Nun gibt es neue Vorschläge. Heißt die neue Adresse bald „Fromet und Moses Mendelssohn-Platz“?

Im Streit um den Namen des neuen Platzes am Jüdischen Museum (JMB) verblüfft Friedrichshain-Kreuzberg mit weiteren Lösungs-Varianten. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte das Thema zuletzt an die Ausschüsse „Gleichstellung“ und „Kultur und Bildung“ zurückverwiesen. Deren erste Benennungs-Anregung „Regina Jonas“ war zwar dem BVV-Beschluss gefolgt, bis zur Erreichung von 50 Prozent weiblicher Straßennamen männliche regulär nicht zuzulassen, ignorierte aber den geforderten Konsens mit dem JMB. Das Museum, der Solo-Anlieger des Platzes, plädiert für Moses Mendelssohn als Adressen-Patron. Nun soll überraschenderweise eine von drei Ideen, die erst in den jüngsten Gremien-Sitzungen zur Sprache kamen, der BVV empfohlen werden: „Fromet- und Moses-Mendelssohn-Platz".

Diesem Votum vorausgegangen waren Diskussionen über Quoten-Erfüllung, Quoten-Ausnahme und Quoten-Neutralisierung. Im Gleichstellungs-Ausschuss bringen die Piraten noch als Lösung für das Benennungs-Dilemma „Platz der Haskala“ (Haskala ist die jüdische Aufklärung) an den Start. JMB-Direktorin Cilly Kugelmann erläutert, warum der eher unbekannte Begriff schwierig sei, die Haskala habe seinerzeit nur auf Assimilation gesetzt. Sie wiederholt ihre Mendelssohn-Argumente und merkt an, als Kompromiss sei auch der Name des Ehepaars Mendelssohn denkbar, was die grüne Ausschussvorsitzende „wahnsinnig freut“. Doch als die Direktorin erwähnt, andere Alternativen wie die Saloniére Rahel Varnhagen seien ja vergeben, schlagen Quoten-Verfechter flugs vor, die bestehende Rahel-Varnhagen-Promenade umzubenennen – um doch noch, mit dieser Patronin, den Platz an der JMB-Akademie explizit weiblich zu besetzen.

Niemanden stört offenbar, dass sich die Intellektuelle Rahel, getauft 19 Jahre vor ihrem Tod, vom Judentum abgewandt hatte. Cilly Kugelmanns Korrektur, Rahel sei kein Vorschlag gewesen, wird überhört. Die Empfehlung an den in der Sache federführenden Ausschuss „Kultur und Bildung“ lautet: Einvernehmlich mit dem JMB sei eine Frau oder ein geschlechtsneutraler Begriff zu finden, unter Berücksichtigung von „Rahel-Varnhagen-Levin“ und „Fromet und Moses Mendelssohn“. Der Kulturausschuss wiederum hat nun diese Empfehlung abgelehnt – nachdem eine Grüne zunächst die Option Varnhagen als „ersten konstruktiven“ JMB-Vorschlag ausgegeben hatte. Mehrheitlich stimmt der Ausschuss für den Vorschlag „Eheleute Mendelssohn“ an die BVV. Der grüne Quoten-Abweichler Wolfgang Lenk rühmt die Modernität des Ehepaares: „200 Jahre später wäre das eine Beziehung gewesen wie die von Sartre und de Beauvoir.“

Tatsächlich taugt diese Partner-Benennung, ein Berliner Debüt, nicht nur zum Quoten-Feigenblatt. Die bildungshungrige Hamburger Kaufmannstochter Fromet Gugenheim hatte mit dem Berliner Moses dessen Leidenschaft für die abendländische Kultur geteilt. Beide korrespondierten partnerschaftlich, intelligent, witzig miteinander. Sie führten 24 Jahre in Berlin, Spandauer Straße 68, ein offenes Haus, das man als erste interkulturelle Salon-Akademie bezeichnen kann: einen Treffpunkt für zagende und reformfrohe Glaubensgenossen, mathematische Hauslehrer, die sechsköpfige Kinderschar, für Geisteswissenschaftler, christliche Zweifler und die Aufklärer-Freunde Nicolai und Lessing. Mit dem Dramatiker und dessen Frau war Fromet, die Gastgeberin der Dialoge, ebenso befreundet wie mit der berühmten Hamburger Aufklärer-Familie Reimarus. Das Jüdische Museum allerdings wird weiterhin den Philosophen solo als erste Wahl favorisieren und sammelt dafür Zustimmung über eine Online-Petition. Die BVV entscheidet am 24. April.

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