zum Hauptinhalt
Darf man die Mauertoten - hier die Gedenkkreuze am Reichstag - gegen die Opfer an den EU-Außengrenzen aufwiegen? Das wird derzeit in Berlin diskutiert.

© dpa

Streit um Protest mit dem Mauergedenken: Der Innensenator als Zensor? Das geht nicht!

Schwere Vorwürfe hat Innensenator Henkel nach der Entwendung der Mauergedenkkreuze gegen die Aktivisten und das Maxim-Gorki-Theater erhoben. Grünen-Landeschef Daniel Wesener erinnert das Vorgehen des CDU-Politikers an die DDR.

Die zeitweise Entwendung der weißen Mauerkreuze hat heftige Reaktionen hervorgerufen. Niemand weiß, ob die verantwortlichen Künstler die Betroffenheit, die sie dabei nicht nur bei den Angehörigen der Opfer auslösen, vorhergesehen haben. Aber es wäre ihre Aufgabe gewesen. Vielleicht hätten sie dann auch eine andere Antwort auf die Frage gegeben, ob man die Mauertoten auf diese Art funktionalisieren darf. Ob man wirklich die Toten von damals und die Toten an den heutigen EU-Außengrenzen gegeneinander aufwiegen kann.

Es gibt aber auch eine andere Sicht. Neben all den schönen Jubiläumsfeiern hat die Kunstaktion uns daran erinnert, wie viel Gegenwart in unserer eigenen Vergangenheit steckt. Das Überwinden von Grenzen, der Wunsch nach Freiheit, Demokratie und einem selbstbestimmten Leben – so unterschiedlich die Ausgangsbedingungen sein mögen, all das verbindet die friedlichen Revolutionäre in der damaligen DDR mit der Sehnsucht von Millionen von Menschen heute weltweit. Umso dankbarer dürfen wir sein, dass wir die innerdeutsche Grenze schon überwunden haben. Eine Dankbarkeit, die mit Verantwortung auch für die Gegenwart einhergehen sollte.

Daniel Wesener ist Landesvorsitzender der Berliner Grünen, zusammen mit Bettina Jarasch.
Daniel Wesener ist Landesvorsitzender der Berliner Grünen, zusammen mit Bettina Jarasch.

© dpa

Der Streit darüber, welche Sichtweise die richtige ist, ist legitim. Die Freiheit der Kunst beruht auch darauf, dass Kunst kritisiert werden darf. Aber was gar nicht geht ist ein Berliner Innensenator, der sich als oberster Zensor aufspielt. Frank Henkel hat in einem Gastkommentar in dieser Zeitung das Maxim-Gorki-Theater frontal angegriffen. Dessen Intendantin, Shermin Langhoff, soll vermeintlich um einige Aspekte der Aktion gewusst haben. Henkel will jetzt ihre „Rolle“ klären und vergisst nicht darauf hinzuweisen, dass es sich um eine öffentlich geförderte Bühne handelt. Das kann man als Drohung verstehen. Sollen sich steuerfinanzierte Theater also nur noch auf das beschränken, was ein Berliner Senat künstlerisch goutiert? Das erinnert dann wirklich ein bisschen an die DDR.        

Unser Gastautor Daniel Wesener ist seit 2011 Vorsitzender des Landesverbandes Berlin von Bündnis 90/Die Grünen.

Daniel Wesener

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false