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Streit um Tegel: Was treibt BER-Chef Hartmut Mehdorn an?

Berlin diskutiert nach Äußerungen des neuen BER-Chefs Hartmut Mehdorn erneut über den Flughafen Tegel. Was treibt den Mann an, der mit wenigen Sätzen diese Erschütterungen ausgelöst hat?

Hartmut Mehdorn, 70 Jahre, am Tag Zwei im neuen Job als Airport-Chef, ist seit dem frühen Morgen im Büro auf dem BER-Gelände. Einer, der mit ihm am Dienstag zu tun hatte, erzählt: Mehdorn sei mit sich im Reinen und voller Energie. Er will endlich richtig loslegen, so wie er es am Vortag in der denkwürdigen Sitzung im Potsdamer Landtag alle spüren ließ. Schon da dauerte ihm alles viel zu lange, hielt es ihn kaum auf dem Stuhl. Man konnte ihm ansehen, dass ihm die vagen Aussagen von Technikchef Horst Amman zur weiteren Finanzierung des Airports, zu den Bauproblemen, überhaupt nicht behagten. Er will Präzision, Klarheit, Tempo.

Nun wird überall gerätselt, was Mehdorn geritten haben mag, diese Bombe zu zünden. Die plausibelste, die man hört, ist ganz einfach: Es sei Mehdorns Überzeugung, er habe das ausgesprochen, was er denke. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es ja auch gar kein Nachtflugverbot am Flughafen. Aber es gibt auch noch eine indirekte Botschaft: Der Flughafen ist als eigener Player wieder da, die Politik wird zurückgedrängt. Allerdings sei Mehdorn noch sehr spürbar in seiner früheren Welt von Air Berlin, sagt einer der Brandenburger, der am Montag dabei war. Ein anderer hatte den Vorstand noch während der Sitzung zu bremsen versucht, per Zettel. Vergeblich. Tatsächlich sprach Mehdorn bei dem öffentlichen Auftritt im Landtag ein, zwei Mal von „Wir“ – und meinte damit Air Berlin. Seinen Posten im verwaltungsrat legte Mehdorn am Dienstag wie angekündigt nieder.

Hartmut Mehdorn war schon immer das, was Pressesprecher sorgenvoll eine „loose gun“ nennen: Er schießt ohne Vorwarnung und Ansehen der Person Wortsalven raus. Im besten Fall sind die Worte als Volltreffer ein Vergnügen für jeden Zuhörer. Im schlechtesten Fall aber bleibt Mehdorns Sprechern nichts anderes übrig als die Getroffenen zu besänftigen, Scherben aufzulesen. In den Arm fallen, kontrollieren, können die Kommunikationsberater diesen Manager nicht.

Und das ist nicht erst seit Montag so. Vor knapp einem Jahr sprach Mehdorn als Air-Berlin-Chef vor rund 300 Unternehmern zum Frühstück bei der Berliner Industrie- und Handelskammer. In der Haut von Air-Berlin-Sprecher Uwe Berlinghoff mochte man nicht gesteckt haben, als Mehdorn von Banken sprach, „die einem nix mehr geben“ und die These aufstellte: „Ein Unternehmen, das kein Geld verdient, verdient seine Existenzberechtigung nicht.“ Sätze, die Berlinghoff ihm wohl aus dem Manuskript gestrichen hätte – wenn Mehdorn sich denn an eins halten würde. Er sei ein „grauer Wolf“, sagte Mehdorn damals über sich selbst. Und: „Wenn es nur Sonnenschein gäbe, könnten es ja alle. Aber es können nicht alle.“ Mancher Satz kommt auch als Bumerang zurück. Zum BER sagte Mehdorn damals, im April 2012, nämlich: „Der ist schön, praktisch und funktional geschneidert! Bevor er an seine Grenzen kommt, hat man noch genug Zeit!“

Mehdorn wollte auch Tempelhof weiter betreiben

Und trotzdem blieb Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), der seinen Wunschvorstand noch auf der gemeinsamen Sitzung öffentlich zurückpfiff, am Tag danach auffällig gelassen. Das Ganze sei nicht ganz glücklich gewesen, aber mehr auch nicht, heißt es in Potsdam. Platzeck ist am Tag danach weit weg von den Flughafen-Turbulenzen: Er tagt mit dem brandenburgischen Kabinett in Forst, in der Lausitz. Später auf der Pressekonferenz sagt er: „Ich bin Herrn Mehdorn nicht gram. Das Verhältnis ist nicht belastet.“

In Berlin ist man da etwas verspannter. „Das ist die bekannte persönliche Meinung von Herrn Mehdorn“, sagte ein Sprecher von Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) am Dienstag. Die Bürgermeister der stark betroffenen Bezirke im Berliner Norden sind weniger diplomatisch: „Irgendwo zwischen Unbedarftheit und Dummheit“ ordnet Reinickendorfs Bürgermeister Frank Balzer (CDU) Mehdorns Idee ein. Sein Pankower Amtskollege Matthias Köhne (SPD) spricht von einem „Aprilscherz“ und fügt hinzu: „Ich hoffe nicht, dass er als nächstes vorschlägt, Tempelhof wieder zu eröffnen.“

Dass diese Befürchtung nicht völlig abwegig ist, zeigt ein Blick ins Jahr 2008: Elf Tage vor dem – mangels Beteiligung gescheiterten – Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof erschien in allen Berliner Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige, in der Unternehmenschefs und Wirtschaftsverbände die Erhaltung des Flughafens forderten. Die Aktion war maßgeblich vom damalige Bahn-Chef Mehdorn initiiert worden – und längst nicht alle Unterzeichner waren über die Anzeige informiert. Die provozierte Wowereits rot-roten Senat, der die schon Jahre zuvor beschlossene Schließung von Tempelhof monatelang gegen eine Kampagne von CDU und Springer-Zeitungen verteidigen musste.

Egal ob der Zeitpunkt diesmal bewusst gewählt oder eher Zufall war – Wirkung hat Mehdorn.

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