zum Hauptinhalt

Streit um Wohnheim für psychisch kranke Straftäter: Als Nachbarn unerwünscht

Ein Gericht verhandelt am Donnerstag den Protest gegen ein Wohnheim für psychisch kranke Straftäter. In Weißensee wird noch geplant und gestritten – in Wedding gibt es eine solche Einrichtung längst.

Von Fatina Keilani

Kudret Nergiz hat ein sonniges Gemüt. Als er hört, dass Journalisten zu Besuch sind, strahlt er übers ganze Gesicht und ruft seinen Freund und Zimmernachbarn: „Andreas, komm, Foto! Wir werden berühmt!“ Aber manchmal verdunkelt sich sein Gemüt. Dann hört der 38-Jährige Stimmen. Er spricht offen, fast arglos darüber. „Seit 1993 bin ich psychisch krank. Ich habe in der Psychiatrie einen Arzt angefallen. Deswegen bin ich hier.“

Hier, das ist eine Einrichtung zum betreuten Wohnen für psychisch kranke Straftäter in der Wiesenstraße in Wedding. Sie wird betrieben von ZeitRaum, einer gemeinnützigen GmbH, die ein gleichartiges Heim in Weißensee plant. Die dortigen Anwohner wollen das nicht, einige haben sogar geklagt. Sie halten die künftigen Bewohner des Heims für unberechenbar und gefährlich und fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder; der Betreiber weist diese Bedenken zurück. Am Donnerstag will das Verwaltungsgericht vor Ort eine mündliche Verhandlung abhalten – unüblich in einem Eilverfahren. Es geht darum, ob die geplante Nutzung erlaubt ist. Die Entscheidung soll noch am Nachmittag verkündet werden.

In Wedding, dort, wo ein vergleichbares Heim bereits existiert, liegt der Eingang in einem Hinterhof. Unangemeldet kommt hier niemand rein oder raus. Zwanzig Männer wohnen hier. Sie sind eigentlich Patienten des Maßregelvollzugs. Das heißt: Sie sind psychisch krank und damit schuldunfähig, konnten also für begangene Straftaten nicht verurteilt werden. Stattdessen kamen sie in die geschlossene Psychiatrie.

Wenn dort die Überzeugung entstanden ist, dass man den Patienten schrittweise in ein normales Leben entlassen kann, kommt er mit etwas Glück hierher. Auf der Warteliste für einen solchen Platz im betreuten Wohnen stehen 55 Personen. In einem hellen, freundlich möblierten Einzelzimmer lebt es sich selbstbestimmter als in dem Fünf- oder Sechsbettzimmer, aus dem die Klienten kommen. „Jeder hier ist froh, sein eigenes Zimmer und seine eigene Toilette zu haben“, sagt Massenbach. Trotz Videoüberwachung.

Hier heißt der Patient Klient. Nach Jahren der Vollversorgung im Maßregelvollzug muss er alles neu lernen: wie man einkaufen geht, eine Waschmaschine bedient, mit seinem Geld auskommt. Dabei helfen ihm Sozialarbeiter. Sie gehen mit ihm zum Bäcker, zur Drogerie, aufs Amt. Die meisten der 20 Klienten haben auch einen Job, natürlich nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auf den Wegen hin und zurück werden sie begleitet.

„Ich arbeite hier unten im Second Hand“, sagt Nergiz stolz. Seine Bude preist er an wie ein Makler: „Das ist eine sehr schöne Wohnlage, auch die Aussicht ist schön, schauen Sie mal!“ Er wohnt seit sieben Monaten hier und weiß, dass in der Regel nach spätestens zwei Jahren Schluss ist. Dann kehren die Klienten in ihre Heimatbezirke zurück. Zimmernachbar Andreas Bierbach weiß genau: „Wenn es mit uns Schwierigkeiten gibt, müssen wir wieder dahin zurück, wo wir herkamen.“

Die Zahl der Patienten im Maßregelvollzug steigt seit Jahren, das Land versucht, so viele Aufgaben wie möglich zu privatisieren. Die ZeitRaum ist ein Leistungserbringer in diesem System. Sie hat die denkmalgeschützte Immobilie an der Großen Seestraße in Weißensee im November 2010 vom Liegenschaftsfonds gekauft. Nun entstehen auf drei Etagen zwanzig Wohnheimplätze - solange nicht das Gericht am Donnerstag anders entscheidet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false