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Berlin: Strieder: Der Finanzsenator hat falsch gerechnet

In einem Brief an die SPD-Fraktion kritisiert der Bausenator seinen Parteifreund Sarrazin und fordert ein Umdenken beim Stopp für die Förderung im Wohnungsbau

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Um die Förderung im Wohnungsbau gibt es Streit im Senat: In einem Brief an die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat Bausenator Strieder (SPD) eindringlich davor gewarnt, unter die Wohnungsbauförderung „blindlings einen Schlussstrich zu ziehen“. Der völlige Ausstieg aus der Subventionierung der Wohnungsbaujahrgänge 1987 bis 1997 würde zunächst die Sozialmieter treffen und wäre im Ergebnis teurer als eine „modifizierte Weiterförderung auf geringerer Höhe“.

Strieder wirft seinem Parteifreund und Senatskollegen Thilo Sarrazin vor, falsch gerechnet zu haben. Der Finanzsenator will die Anschlussförderung von Sozialwohnungen nach 15-jähriger Grundförderung sofort einstellen. Der Senat entscheidet Anfang Februar. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Fraktionschef Michael Müller stehen nach wie vorher hinter Sarrazin.

Nach einem „Totalausstieg“ aus dem alten Fördersystem werde es zu massenhaften Insolvenzen und zu Zwangsversteigerungen der Häuser kommen, schrieb Strieder in dem Brief an die SPD-Abgeordneten, der dem Tagesspiegel vorliegt. Die Vermieter wären sofort berechtigt, die Kostenmiete – in Berlin durchschnittlich 12 Euro pro Quadratmeter – zu nehmen. Dann sei zu befürchten, „dass die Bessergestellten zügig reagieren und die Objekte verlassen. Die soziale Entmischung setzt wieder ein; unser Ziel der Stabilisierung der Wohngebiete wird konterkariert“. Daran würden auch staatliche Umzugshilfen nichts ändern und der vom Finanzsenator ins Gespräch gebrachte Härteausgleich für die betroffenen Mieter klinge zwar gut, sei aber nicht konkretisiert. „Weder für welche Einkommensgruppen er gelten soll, noch in welcher Höhe und wie lange gezahlt wird“.

Der Bausenator wirft dem Finanzsenator eine falsche Berechnungsmethode vor. Nach Strieders Bilanz kommt ein Totalausstieg aus der Wohnungsbauförderung nicht 610 Millionen Euro billiger als eine teilweise Weiterförderung. Die Differenz betrage nur 206 Millionen Euro. Ohne Berücksichtigung von Zusatzkosten. Und die haben es nach Auffassung Strieders in sich. Er rechnet in seinem Brief diese zusätzlichen Kosten vor: 309 Millionen Euro für fällige Landesbürgschaften; 171 Millionen Euro wegen Minderung des Eigenkapitals und Fondsverlusten der vom Ausstieg betroffenen städtischen Wohnungsbaugesellschaften; 37 Millionen Euro, weil 16 Fonds der Bankgesellschaft Berlin betroffen seien und das Land diese Immobilienrisiken übernehmen müsse. Weitere 38 Millionen Euro, weil der Senat für verlorene Darlehen der Investitionsbank Berlin aufzukommen habe.

So betrachtet lasse sich Sarrazins Behauptung, die Streichung der Subventionen sei für den Landeshaushalt günstiger als eine modifizierte, mit den Wohnungseigentümern einzelvertraglich geregelte Weiterförderung, nicht aufrechterhalten, so Strieder. Außerdem sei die Frage, ob der Senat zur Anschlussförderung rechtlich verpflichtet sei, unter Juristen „höchst umstritten“. Der Bausenator sieht auch die Gefahr, dass der Bund keine Rückbürgschaften auszahlen werde. Dann verteuere sich das Modell des Totalausstiegs um weitere 309 Millionen Euro.

Außerdem macht sich der Senator und SPD-Landeschef Sorgen um den Ruf Berlins bei Investoren. Mit einem sofortigen Stopp der Anschlussförderung würden tausende Kleinanleger geschädigt. Das sei keine Werbung für die Stadt. Nach 15 Jahren Grundförderung hätten die Wohnungseigentümer im Durchschnitt erst 26 Prozent der Darlehenssumme zurückgezahlt. Wer die übrigen Kreditkosten nicht aus Gewinnen finanzieren könne, werde zahlungsunfähig. In der „überwiegenden Zahl der Fälle“ werde es zur Insolvenz kommen. Die Zwangsversteigerung werde nach Expertenmeinung nur 43 Prozent der Restkredite einbringen, so Strieder. Zudem könnten die kreditgebenden Banken eine Landesbürgschaft in Anspruch nehmen.

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