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Strom

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Stromversorgung: Eine elektrisierende Frage

Für die Stadt Berlin steht ein Wechsel des Stromanbieters an. Nun gilt es zu entscheiden: Alles Öko - oder nicht? Eine schwierige Frage, zumal nicht nur Kritiker daran zweifeln, ob überhaupt irgendwer so viel Ökostrom liefern kann.

Bundestag und Umweltministerium haben es getan. Bremen, Mannheim und Esslingen auch, und andere überlegen: Wollen wir Ökostrom oder normalen? So lautet auch die Frage, die sich jetzt in Berlin stellt. Denn zurzeit wird die Ausschreibung der Stromlieferungen für die Landeseinrichtungen in den nächsten drei Jahren vorbereitet. Es geht um eine Stromrechnung von voraussichtlich knapp 100 Millionen Euro pro Jahr, in der Kliniken, Kitas und Schulen ebenso enthalten sind wie Amtsstuben und die Straßenbeleuchtung.

Es geht um etwa 925 Gigawattstunden pro Jahr. Das entspricht ungefähr 900 Millionen Waschmaschinenladungen. Werden die mit ganz normalem Strom erledigt, blasen die Kraftwerke dafür rund 500 000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft. Die von Vattenfall – dem aktuellen Stromlieferanten des Landes – sogar rund 600 000, weil das Land keine Kernkraft bezieht. So wird Atommüll vermieden, aber noch mehr Kohle verheizt. Die Emission für den Landesstrom entspricht etwa der, die die gut 1,2 Millionen Berliner Autos im Laufe von zwei Monaten in die Luft blasen.

Angesichts der riesigen Menge könnte das Land ein bedeutendes Signal geben, wenn es Ökostrom ausschreiben würde, finden Umweltverbände und die Grünen. Sie haben den Senat aufgefordert, nur solchen Strom zuzulassen, der nahezu keinen CO2-Ausstoß verursacht. Der Rechtsanwalt Jörn Schnutenhaus, Experte für Ökostrom-Ausschreibungen, geht von Mehrkosten um 0,2 Cent pro Kilowattstunde aus, also knapp zwei Millionen Euro Extrakosten fürs Land. Die Ausschreibung müsse aber unbedingt auch Ökostrom aus „Neuanlagen“ verlangen, weil Energiekonzerne sonst ihren ohnehin vorhandenen Strommix durch interne Umbuchungen „grün anstreichen“ könnten und sich den Ausbau von erneuerbaren Energien einfach sparen.

Kritiker der Öko-Variante bezweifeln, dass überhaupt irgendwer so viel Ökostrom liefern kann. Schnutenhaus sieht kein Kapazitätsproblem, aber die Frage ist berechtigt: Berlin verbraucht so viel wie etwa 330 000 Privathaushalte. Der nach eigener Auskunft größte deutsche Ökostrom-Anbieter Lichtblick hat zurzeit rund 420 000 Kunden.

Außerdem verweist die rot-rote Koalition auf ihre eigenen, vom Parlament beschlossenen Umweltkriterien: Mindestens 20 Prozent des Stroms müssen aus erneuerbaren Energien kommen und weitere 50 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Bei dieser Technik – Standard in den Berliner Vattenfall-Kraftwerken – wird die Abwärme des Stroms als Heizenergie (Fernwärme) genutzt, was viel Brennstoff spart. „Ambitioniert“ findet SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz deshalb die Kriterien. Dagegen sagt Schnutenhaus: „Die 20 Prozent Ökostrom sind nicht fortschrittlich, sondern durchschnittlich.“ Schon die gesetzlich vorgegebene Öko-Mindestquote werde von zurzeit gut 16 bald auf 20 Prozent steigen. Und der Grünen-Energieexperte Michael Schäfer moniert, mit der 50-prozentigen KWK-Quote sei die Ausschreibung „auf Vattenfall zugeschnitten“. Auch weist Schäfer darauf hin, dass das Parlament dem Land auch eine jährliche Stromsparquote von einem Prozent verordnet hat, die mit Unterstützung der Stromversorger geleistet werden soll – etwa durch den Einbau von Technik zum Sparen. Als Resultat sind bisher nur die vom Senat geäußerten „Zweifel an der Umsetzbarkeit“ bekannt.

Doch am Ende könnte eine andere Vorgabe entscheiden: Ökologische Kriterien müssten in Ausschreibungen zu einem Drittel eingehen, beschloss das Abgeordnetenhaus 2007. Also darf der günstigste Preis nur zu zwei Dritteln entscheiden, während zu einem Drittel die CO2-Minderung zählt. Wie beide Kriterien verrechnet werden, muss in der Ausschreibung erkennbar sein.

So könnte die Formel über den oder die Gewinner entscheiden. Acht Lose sind zu vergeben. 2004 gewann Lichtblick drei Lose davon, weil der saubere Strom zugleich der günstigste war. Stefan Jacobs

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