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S-Bahn, logo!

© dpa

Studenten-Job bei der DDR-S-Bahn: Nicht für Moskau, sondern für Geld

Ein gut bezahlter Studentenjob in den 70ern. Unser Autor Bernd Matthies fand ihn bei der DDR-Reichsbahn. Als West-Berliner half er zwei Jahre lang der S-Bahn auf die Sprünge. Eine Erinnerung an schlafende Fahrgäste und lange Nächte im verschlossenen Bahnhof.

Das Schlimmste war, dass alle dachten: Der ist einer von diesen Spießerkommunisten, der macht das für Moskau. Nein! Ich habe es für Geld gemacht, etwa zwei Jahre lang immer mal wieder: Bahnsteigaufsicht. Es muss so etwa 1972 angefangen haben. Ich kannte jemanden, der da arbeitete, und der sagte: Die suchen. Und nehmen auch Studenten.

Die Berliner S-Bahn wurde damals bekanntlich von der DDR-Reichsbahn betrieben und von den West-Berlinern weitgehend boykottiert. Wer mich also Boykottbrecher schimpfen will, bitte sehr, möglicherweise wäre ohne mich die Wende drei Sekunden früher gekommen, das trage ich mit Fassung.

Aber das Gehalt stand im Vordergrund, und das war recht anständig, zumal angesichts der Tatsache, dass es für uns Studenten ohne Abzüge ausgezahlt wurde, bar in einem Briefumschlag. Mit ein paar Wochenendschichten kamen in den Semesterferien leicht 1.300 Mark – West, selbstverständlich – im Monat zusammen, und auch neben den Vorlesungen waren immer mal ein oder zwei Schichten in der Woche zu haben.

Schlafende Fahrgäste konnten zum Problem werden

Anfänger begannen in Wannsee. Nach einer Grundeinweisung, die in einer Nacht erledigt war, galt der Neue als tauglich für den Abfertigungsdienst. Eine militärisch wirkende Uniformjacke mit roter Dienstmütze wurde gestellt, eine schwarze Hose war Vorschrift. Wannsee war damals Endbahnhof, das bedeutete: Der Zug musste von eingeschlafenen Fahrgästen geleert und auf ein Signal vom Stellwerk per Funk in die Kehre geschickt werden.

Die Eingeschlafenen waren das Problem. Meist bis zur Halskrause voll mit Schnaps und anderen Substanzen, manchmal, vor allem im Winter, einfach nur froh über die gute Heizung. Das gab oft Ärger; wenn nötig, wurde dafür auch die West-Polizei geholt, während sonst wegen jeder Kleinigkeit finstere Blousonträger der DDR-Transportpolizei anrückten. Weniger Probleme hatten die Abfertiger auf den Bahnhöfen an der Strecke. Wer dort arbeiten wollte, musste eine kleine Prüfung ablegen: Alsbald umfasste mein berufliches Spektrum alle Bahnhöfe zwischen Wannsee und Zehlendorf.

Lange Nächte im verschlossenen Bahnhof

Am schlimmsten waren die Nächte am Wochenende, zwölf Stunden von 18 bis 6. Kaum war man eingenickt, quietschte wieder mal ein Zug im Bahnhof. Die Betriebspause dauerte etwa drei Stunden, dafür musste der Bahnhof abgeschlossen werden. Manchmal ging auch dies nicht ohne ein Palaver mit unfrohen Gestalten, die da herumhingen. Am seltsamsten war aber der Kontakt mit den Fahrern, die sämtlich aus der DDR kamen. Sie wurden aus Stahnsdorf mit einem kleinen Triebwagen nach Wannsee transportiert, absolvierten ihre Schicht im Westen und fuhren über Stahnsdorf wieder nach Hause. Normale Eisenbahner, an Weltrevolution und Sieg über den Klassenfeind so wenig interessiert wie ich. Und das SEW-Blatt „Wahrheit“, das auf jedem Bahnhof lag, haben sie auch nicht gelesen.

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