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Berlin: Studiengebühren erhöhen das Humankapital

Ein Unwort macht Karriere. Wie die Studenten, die eine bessere Lehre bekommen Von Gert G. Wagner

Die Wahl des wirtschaftswissenschaftlichen Begriffs „Humankapital“ zum Unwort des Jahres hat in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen jede Menge Unverständnis provoziert. Vielleicht war die UnwortJury pfiffiger als alle gedacht haben, denn mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Zulässigkeit von Studiengebühren hat der Begriff Humankapital Aktualität erlangt. Kritiker meinen, dass ein gebührenpflichtiges Studium mehr denn je von wirtschaftlichem Kalkül bestimmt würde. Junge Menschen seien nun gezwungen, über sich selbst als Humankapital nachzudenken. Das stimmt, ist aber unabhängig von Studiengebühren unvermeidbar.

Nach der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, wo definitionsgemäß knappe Ressourcen keine Rolle gespielt haben, ist es unvermeidlich, dass wir unsere Zeit möglichst klug nutzen. Sicherlich erfolgt dadurch eine „Instrumentalisierung“ von Körper und Geist. Diese ist keineswegs auf kapitalistische Gesellschaften beschränkt. Zentral verplantes Humankapital wird erst recht instrumentalisiert.

Auch jetzt schon wägen junge Menschen ab, ob sich ein Studium für sie lohnt. Und die allermeisten entscheiden nicht anhand hehrer Bildungsideale, sondern aufgrund handfester ökonomischer Überlegungen, ob sich die knappe Zeit und das entgangene Einkommen, die sie für ein Studium opfern, später finanziell lohnen werden. Ob Studiengebühren von 1000 Euro pro Jahr diesen Abwägungsprozess verschärfen und ob Universitäten, die auf Gebühren verzichten, überlaufen werden, ist nicht gesagt. Schließlich soll sich durch gebührenfinanzierte bessere Studienbedingungen die Studienzeit verkürzen. Dadurch werden Hochschulen, die Gebühren effektiv einsetzen, womöglich attraktiver als andere. Private „Business Schools“, die eine gute und konzentrierte Lehre anbieten, verlangen bereits jetzt mit Erfolg Studiengebühren. Und es muss natürlich Stipendien für Finanzschwache geben. Nicht unwichtig ist: Föderale Vielfalt bietet die Chance zu einer methodisch aussagekräftigen Evaluation der Wirkungen von Studiengebühren.

Schließlich ist zu hoffen, dass Studiengebühren auch eine heilsame Debatte über die Finanzierungsstrukturen für die Hochschulen insgesamt auslösen. Heutzutage belasten viele Studierende aus anderen Bundesländern einen Landeshaushalt. Künftig sollten Wege gefunden werden, die es attraktiv machen, Studierende aus anderen Bundesländern und dem Ausland anzuwerben.

Um die Studienbedingungen zu verbessern, reicht es auch nicht aus, nur eine gute Lehre anzubieten, sondern den künftigen Studierenden müssen bessere Informationen – in den Schulen und von den Hochschulen – über einzelne Studiengänge angeboten werden. Aber auch hier helfen die Gebühren indirekt: Künftig werden zahlende junge Leute das einfordern. Und es muss sichergestellt werden, dass die Gebühren auch wirklich der Lehre zugute kommen. Das ist keine einfache politische Aufgabe. Sie ist aber mit Hilfe von Hochschulverträgen hinreichend lösbar.

Ausbildungsförderung und Stipendienprogramme müssen Kindern aus einkommensschwächeren Elternhäusern faire Chancen bieten. Dabei ist zu bedenken: Bereits eine verkürzte Studienzeit erleichtert die Entscheidung für ein Studium.

Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin und Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

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