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Berlin: Stumpen will Stammgast bleiben

Der von Lärmschutzauflagen genervte Knaack-Club sammelt Unterstützer

Gero Ivers, 46, Künstlername Stumpen, ist empört, fast wird er richtig laut. „Das ist ein Verbrechen an der Kultur“, sagt der Frontmann der inzwischen aufgelösten Berliner Rockband Knorkator. Seit mehr als 30 Jahren komme er in diesen Club – und nun ist der den neuen Nachbarn in nebenan errichteten Eigentumswohnungen zu laut: Der Knaack-Club in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg hat am Donnerstag nicht nur den eloquenten Stumpen, sondern auch Susann Treubot von der Club Commission, dem Berliner Verband der Partybetreiber, auf die zum Protestpodest umfunktionierte Bühne im Erdgeschoss geholt.

Wütend sind Stumpen und Treubot wegen eines Urteils, gegen das keine Rechtsmittel mehr zugelassen sind: Das Oberverwaltungsgericht hatte entschieden, dass der Club bestimmte Lärmschutzvorgaben einzuhalten habe. Wohlgemerkt 58 Jahre nachdem der Knaack als Kulturtreff begonnen hat. In den 90ern fingen Rammstein hier an, Clawfinger und Die Toten Hosen waren da.

Im Knaack werden Konzerte nun um spätestens 23 Uhr beendet, an die Mischpulte der DJs kamen Lärmmessgeräte. War die Musik lauter als 85 Dezibel, leuchtete eine Warnlampe. Üblich sind in Diskotheken 95 Dezibel. Verwaltungsjuristen wiesen darauf hin, dass 85 Dezibel heutzutage schon in Privatwohnungen junger Menschen verbreitet seien.

Da man auch aus baulichen Gründen nicht alle Etagen mit wirksamem Lärmschutz ausrüsten könne, erklärte Knaack-Betreiber Matthias Harnoß, seien die oberen Stockwerke fürs Publikum geschlossen. So aber kämen auch weniger als die sonst bis zu 800 Gäste. Fazit: Man wolle zwar bleiben, aber mit 85 Dezibel lasse sich kein Club betreiben. Da sei das „Quatschen der Gäste“ lauter als die Musik. Jetzt sucht das Knaack-Team einen neuen Standort – umgeschaut wird sich vor allem in Kreuzberg. Dort ist zuletzt auch der bis dahin benachbarte Magnet-Club gezogen. Die Gegend im Süden Prenzlauer Bergs wird folglich ruhiger, dabei dürften viele der zugezogenen Neuberliner eigentlich die Nähe zum Nachtleben gesucht haben.

Noch im Februar hatte das untergeordnete Verwaltungsgericht festgestellt: Wer in einer traditionell lauten Gegend Wohnungen baut, muss für Schallschutz sorgen und darf sich hinterher nicht über Lärm beschweren. Den Umbau des Hauses hinter dem Knaack für Wohnungen erklärten die Richter für „rücksichtslos“ – die Disko gebe es schließlich seit Jahrzehnten. Streit um Kneipenlärm, Musik, Menschenmassen gibt es vielerorts in der Innenstadt. In Mitte ist er erst kürzlich beigelegt worden: Die Edelwohnungen neben der Kalkscheune werden weitergebaut, der Club zog den Antrag auf Baustopp zurück – dafür erhält der Neubau besseren Lärmschutz und die Kalkscheune verringert die Lautstärke im Innenhof. Dennoch heißt es aus Gerichten, von Anwälten und Ämtern: Da Zivil- und Verwaltungsrecht, da Umwelt- und Bauvorschriften, da Lärmverursacher und Lärmgeplagte gleichzeitig die Justiz beschäftigen, sei mit einheitlicher Rechtsprechung kaum zu rechnen. Jede Woche wird in der Stadt ein Fall verhandelt, der mit Lärm zu tun hat. Hannes Heine

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