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Berlin: Süße Verführung am Schlachtensee

Seit 85 Jahren hat Familie Hampe ein Schokoladengeschäft in Zehlendorf. Aber jetzt fehlen die Nachfolger

In der Breisgauer Straße meint man, die Beschaulichkeit Zehlendorfs zu atmen. Vor einem winzigen Lädchen ganz besonders. „Hampe Konfitüren“ steht in altmodischer Schrift über dem Schaufenster, dessen festliche Dekoration wie eine einzige prächtige Praline in die Straße leuchtet: Da paradieren lila- und goldfarben eingewickelt Maikäfer auf dunkellila Samt, funkeln golden verpackte und mit Schleifen verzierte Päckchen auf Spiegelglas und wetteifern zarte Mokkatassen mit Champagnertrüffeln und anderen süßen Verführungen. Die Preisschilder sind mit lila Tinte altmodisch handgeschrieben. Von Hand und lila beschriftet sind auch die mit Goldpapier umrandeten Tafeln, von denen die Firmengründer der „Hampe Konfitüren“ auf alten Fotos in die frühherbstliche Breisgauer Straße blicken. Hier in der Nummer 4 machten Berta und Wilhelm Hampe am 1. Oktober 1920 erstmals den Zehlendorfern ihre süßen Angebote – die Marzipankartoffeln damals sogar noch selbst gemacht.

Was ihr Großvater Wilhelm vorher beruflich machte, weiß Bärbel Engelbrecher, Inhaberin in der dritten Generation, nicht mehr. Wie viele Berliner waren die Hampes aus Schlesien in die Stadt gekommen. Der Laden in Zehlendorf lief gut – Süßes konnte man sich dort leisten. Kaum war sie 18 Jahre geworden, half Margarete Hampe im elterlichen Geschäft mit. Deren Tochter Bärbel wurde 1931 in Leipzig geboren – dort war Margaretes Ehemann Willy Glesmer bei Ford Meister. Nicht lange, dann trat er in Berlin am heutigen Mexikoplatz in die beruflichen Fußstapfen des Schwiegervaters und eröffnete selbst ein Konfitürengeschäft. In dem durfte sich die kleine Bärbel als Kind jeden Sonntag Schokolade aussuchen – zwei kleine Stückchen, mehr nicht. Mit 18 stand sie dann selbst im Laden. Als der am Mexikoplatz vor etwa 50 Jahren aufgegeben wurde, ernährte am Schlachtensee „Hampe Konfitüren“ wieder die ganze Familie. Seit 1971 ist die 74-Jährige die Inhaberin. Großeltern, Eltern und ihr Ehemann Paul Engelbrecher sind tot, und auch die betuchte Kundschaft ist zum Großteil weggestorben.

Junge Leute kommen selten, sagt die Hüterin der süßen Schätze inmitten ihrer nostalgischen Pracht, „so kleine Lädchen kennen die doch gar nicht mehr“. Was in Zukunft aus „Hampe Konfitüren“ wird, ist deshalb offen. Ein Grieche wollte ihr schon mal alles abkaufen, sagt die Besitzerin und schüttelt sich: „Der wollte hier ’ne Frittenbude eröffnen“.

Heidemarie Mazuhn

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