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Berlin: Tabou Tiki Room

Der Berliner Winter ist unschön. Wer zählt nicht die Tage bis Ostern, dem halbwegs realistischen Datum der ersehnten Wetterwende?

Von Frank Jansen

Der Berliner Winter ist unschön. Wer zählt nicht die Tage bis Ostern, dem halbwegs realistischen Datum der ersehnten Wetterwende? Zu ertragen sind diese Monate der Kälte und Düsternis eigentlich nur, wenn man sich ab und an in eine tropische Traumwelt stürzen kann. Das neue Lagunen-Paradies der Mega-Halle im brandenburgischen Brand ist allerdings für den virtuellen Kurztrip in die Südsee etwas zu weit entfernt. Schneller geht’s in Neukölln. Keine Sorge, es ist nicht eine Kneipe mit angestaubten Yucca-Palmen gemeint. Wer Hawaii sucht, muss sich zum Maybachufer begeben. Und in einem Ecklokal den grimmigen Tiki-Göttern opfern.

Zumindest fünf Euro Eintritt pro Person, wenn im Tabou Tiki Room eine Party ansteht. Für erste Seelenwärme sorgt am Eingang eine Blondine, die wie einst in den 80ern jedem Gast einen Stempel auf die Hand drückt. Drinking man und compañera waren mit der Aufschrift „Drucksache“ markiert, als sie sich kürzlich dem Neuköllner Tiki-Kult widmeten. Ein Erlebnis der besonderen Art.

Das Lokal ist derart mit Südsee-Nippes drapiert, dass die compañera leise meinte, „hier muss aber jemand die Tikis sehr lieb haben“. Die phallischen Gestalten, ob von Kopf bis Fuß oder nur als Replik eines markanten Osterinselschädels, haben aus allen Ecken das Tabou im Blick. Die Wände sind mit Bambus verkleidet, der Tresen auch, und über ihm baumelt ein Hai, aber nur ein kleiner. Vor dem Tresen stehen schöne Drehhocker mit einer nierenhohen Lehne. Die eigentliche Lokaldecke ist nicht mehr zu sehen. Das Publikum sitzt unter spitzgiebeligen Bast- und Bambusdächern. Da pendeln Korbflaschen und Fische, Licht spenden umflochtene Lampen mit gelben und roten Glühbirnen – und die mit Bast umwickelten Windlichter auf den Tischen. Auf ein Accessoire hat die Tabou-Crew jedoch verzichtet: Auf dem Boden liegt kein Sand.

In dem Tanzraum rechts vom Eingang steht eine Bühne. An jenem Abend traten dort „The Kilaueas“ auf, eine vierköpfige Jungherrencombo, stilecht in Hawaii-Hemden. Die Band spielte fantastischen, rein instrumentellen Surfpunk. Das Publikum war begeistert. Musik ist neben den Drinks die zweite Droge des Tabou. Schon vor dem Auftritt der Kilaueas dröhnte aus den Boxen rocklastiger Surfsound der 50er und 60er. Nahe dem Eingang wurden aus einem alten, braunen Lederkoffer CDs mit einschlägigen Titeln wie „Catch a Wave“ oder „Lost Legends of Surf Guitars“ verkauft.

Die Cocktails waren kongenial. Drinking man und compañera gönnten sich einen Mai Tai (nicht so süß, aber gut), einen Don’s Own Planter’s Punch, einen Lychee Nut Daiquiri (toll), einen Samoan Sidekick (nussig) und einen alkoholfreien Missionary. Der Berliner Winter war jetzt sehr weit weg. Diese Bar ersetzt (beinahe) ein Reisebüro.

Tabou Tiki Room, Maybachufer 39, Neukölln, Di.- So. ab 20 Uhr, http://taboutikiroom.com

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