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Tadshikische Teestube: Auf ein letztes Glas

Seit 1974 gibt es die „Tadshikische Teestube“ im Palais am Festungsgraben, ursprünglich ein Geschenk der Sowjetunion Jetzt wird der märchenhafte und traditionsreiche Ort, angepriesen in vielen Reiseführern, geschlossen.

Im ersten Stock des Palais am Festungsgraben im Kastanienwäldchen hinter der Neuen Wache stehen Dutzende Schuhe vor den hellen Flügeltüren. Durch die gelangt man, barfuß oder auf Strümpfen, in die weithin bekannte „Tadshikische Teestube“. Im größeren Teil des hohen, von geschnitzten Sandelholzsäulen flankierten Raumes liegen kuschelige Sitzkissen und bunte Decken vor niedrigen Tischen, an denen die Gäste lässig lagern, sofern sie nicht den Schneidersitz bevorzugen. Dann kommt Igor, der Oberkellner aus Litauen, mit der Karte. Wenn schon, denn schon: Wir ordern die „Russische Teezeremonie für zwei“, daran hatten, nehmen wir mal an, schon Zar Nikolaus und Wladimir Uljanow, genannt Lenin, ihre Freude. Hier kommt ein großer silberner Heißwassersamowar, darauf thront ein Kännchen mit Teesud, dazu gibt’s fünf Sorten Zucker, Konfitüre, Fondant, Rumrosinen, Orangeade, Zitronat, Gebäck und einen eiskalten Wodka für 7,50 pro Nase. Nasdarowje!

Wir hätten auch 15 weitere Sorten Tee bestellen können, dazu Borschtsch, Soljanka, Piroggen, Bliny und Pelmeni – Russlands Sattmacher und Seelentröster. Denn die braucht man: Die orientalische Trinkzeremonie im Herzen Berlins wird jäh beendet. Ab 1. Mai bleibt die Teemaschine kalt und die Teestube geschlossen – eine Tradition verduftet und verdampft.

Vor 38 Jahren, 1974, war die Restauration eine Attraktion im sowjetischen Pavillon auf der Leipziger Messe, wo man sie am Ende komplett der DDR-Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (DSF) schenkte. Die baute sie in ihr Zentrales Haus am Kastanienwäldchen, das frühere Preußische Finanzministerium, ein, und da steht sie noch heute. Ist beliebt bei Gästen aus aller Welt, wie Igor sagt, weil sie in jedem Reiseführer als kulinarische Insel und Attraktion für Leute gepriesen wird, die sich einfach mal hinlümmeln wollen. Oder die nach dem Besuch im „Theater im Palais“ noch ein Glas trinken möchten.

Eine Schönheitskur würde dem Haus gut tun

Aus welchem Grund versinkt die Märchenwelt Tadschikistans, die im Kastanienwäldchen in vielen großen Bildern an der grünen Wand lebendig ist, während aus den Lautsprechern Sirtakirhythmen perlen oder deutsche Geigen schluchzen? Igor meint, das Palais stehe unter Denkmalschutz und müsse dringend renoviert werden, auch das Lokal und die kleine Küche. Deshalb sei der Mietvertrag mit der Berliner Immobilienmanagement-Gesellschaft (BIM) nicht verlängert worden. Igor macht keinen traurigen Eindruck, sondern möchte irgendwo ein ähnliches Etablissement eröffnen. Auch der frühere Betreiber, Aris Papageorgiu, ein Bruder der jetzigen Pächterin Charikleia Cinari, sagt: „Wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Platz, wohin die Teestube umziehen könnte.“

Die BIM hält dagegen: „Es gab eine Option auf eine weitere Vertragslaufzeit, die wurde nicht gezogen, sondern gekündigt. Später hat man sich das anders überlegt, aber da waren die Weichen bei uns schon neu gestellt“, sagt Geschäftsführer Sven Lemiss. Er möchte „alles am Leben halten“, den Marmorsaal, die RBB-Sendung „Im Palais“ und das eifrige Theater im Palais, das mit einem Mietvertrag zumindest bis Ende 2014 spielt. Nur: Einiges muss repariert werden, da ist man sich einig. Das Haus hat Friedrich II. anno 1754 für den Kammerdiener seiner Frau bauen lassen – als einziges Gebäude in der näheren Umgebung überstand es den Zweiten Weltkrieg.

Kann man Tadschikistans Sandelholzsäulen einfach aus- und später wieder einbauen, wie es Aris Papageorgiu möchte? Die BIM sagt nein, hier stehe alles unter Denkmalschutz, die Einrichtung werde gesichert, man suche einen neuen Betreiber, und schließlich sei ungeklärt, was der Eigentümer, das Land Berlin, mit dem Gebäude beabsichtigt – eine Schönheitskur würde dem Haus mit seiner großen Geschichte gut tun.

Aber eins steht fest: Am 30. April ist Schluss. Nina M. Korn und Katja Popow erzählen an diesem Abend wie jeden Montag Märchen, diesmal „Hexenmärchen zur Walpurgisnacht“. Für Nina Korn ist es ein trauriger Abschied. Über 30 Jahre entführt die Hörspieldramaturgin ihre Zuhörer in die Welt der Märchen, aber diesmal haben sie sich ganz lustige Geschichten ausgesucht: „Sonst müssen wir alle heulen.“

Am Festungsgraben 1, Mo bis Fr, 17 – 24 Uhr, Sa/So 15 bis 24 Uhr. Tel. 204 1112.

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