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Berlin: „Täter nehmen die Justiz nicht ernst“

Der Leiter des „Anti-Gewalt-Zentrums Berlin/Brandenburg“ in Zehlendorf, Lars-Oliver Lück, hat einen härteren Umgang mit jugendlichen Straftätern gefordert. Diese Täter würden in Deutschland „zu lasch und viel zu spät bestraft“, sagte der Sozialpädagoge und Anti-Aggressivitätstrainer.

Der Leiter des „Anti-Gewalt-Zentrums Berlin/Brandenburg“ in Zehlendorf, Lars-Oliver Lück, hat einen härteren Umgang mit jugendlichen Straftätern gefordert. Diese Täter würden in Deutschland „zu lasch und viel zu spät bestraft“, sagte der Sozialpädagoge und Anti-Aggressivitätstrainer.

Der Leiter der Einrichtung des freien Trägers VJB-Zehlendorf e.V. hatte selbst mit dem 16-jährigen Ken M. (Name geändert) gearbeitet. Ihn hat die Polizei als mutmaßlichen Mörder des siebenjährigen Christian Sch. ermittelt. Ken habe schon früh in der Schule und auch innerhalb seiner Clique „am Rande gestanden“. Zudem sei der Sohn eines Schwarzen wegen seiner dunkleren Hautfarbe gehänselt worden. Lück sagte, er habe selten jemanden erlebt, „an den so schwer heranzukommen war“.

Viele Serientäter wie Ken M. nähmen die Justiz gar nicht mehr ernst, so die Erfahrung des Gewaltexperten. Die „lächerlichen Strafen wie Sozialstunden“ bewirkten keine ernsthafte Auseinandersetzung mit Tat und dem Opfer sowie dem eigenen Selbst. Viele junge Gewalttäter haben den Eindruck: „Ich kann sowieso machen, was ich will.“ Nach Einschätzung von Lars-Oliver Lück müsse viel früher eine „Druckkulisse“ aufgebaut werden. Demnach müsse intensiver mit den Eltern gearbeitet, das Jugendamt früher eingeschaltet werden.

Fundiertes Verhaltenstraining allein, wie es die von Spenden und Bezirksamtszuschüssen finanzierte Einrichtung unter anderem anbietet, reiche nicht aus, so Lück. In dem kleinen Anti-Gewalt-Zentrum werden Täter in Rollenspielen teils hart angegangen, um altes Verhalten auszulösen – aber dann neues einzutrainieren. Viele seien es nicht gewohnt, dass ihnen jemand die Stirn bietet. „Sie wollen aber ernst genommen werden.“ Nach Erfahrung von Lars-Oliver Lück nimmt die Brutalität unter den Jugendlichen zu. „Es gibt ganz klar einen Zusammenhang zwischen sozialer Situation, Bildungsstand und jugendlicher Gewaltkriminalität.“ Aber auch an Gymnasien steige die Zahl der Rohheitsdelikte. Die Verrohung rühre auch daher, dass die Jugendlichen oft kein großes Selbstwertgefühl besäßen. „Gewalt ist für sie das einfachste und oft das einzige Mittel, ein Erfolgserlebnis zu haben.“ Jugendliche seien noch orientierungslos und „basteln sich ihre eigenen Werte und Normen“.

Unterdessen hat die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Senat und Bezirke „eindringlich aufgefordert, von weiteren Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe abzusehen“. Die Rufe von Landespolitikern nach geschlossenen Heimen sei „die eine Seite der Medaille“, sagte Liga-Sprecherin Elfi Witten. „Die andere Seite ist es, präventiv dafür zu sorgen, dass Jugendliche nicht in Gewalt und Kriminalität abrutschen“. Bei der Jugendhilfe werde in Berlin aber „so sehr gestrichen wie in keinem anderen Bundesland“. In den nächsten zwei Jahren sollen weitere 33 Millionen Euro bei den Erziehungshilfen gestrichen werden. Seit 2002 seien es insgesamt 161 Millionen Euro und damit 40 Prozent des Gesamtbudgets.

Annette Kögel

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