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Berlin: Tag der langen Wege

Wegen der Sperrung des Hauptbahnhofs mussten Fahrgäste Umleitungen in Kauf nehmen – und warten

Die Hinweistafel vor dem Eingang zum Fernbahnsteig am Bahnhof Gesundbrunnen in Wedding ist vergleichsweise klein und unscheinbar. „Liebe Fahrgäste, auf Grund einer Betriebsstörung werden leider einige Züge umgeleitet bzw. beginnen / enden auf einem anderen Bahnhof“, steht dort in kleinen Lettern. Die meisten Fahrgäste, die an diesem Freitag zum Bahnsteig wollen, laufen an dem Schild vorbei –, um sich dann irritiert zwischen Dutzenden Wartenden wiederzufinden.

Einer von ihnen ist Hannes Rückl. Der 18-Jährige, der in Potsdam eine Ausbildung absolviert und dort lebt, wollte übers Wochenende nach Hause fahren: nach Uckro in der Nähe von Luckau. Eigentlich wollte er am Hauptbahnhof in seinen Regionalexpress einsteigen. Doch weil dieser wegen des abgerissenen Stahlträgers gesperrt ist, musste Rückl am Zoologischen Garten aussteigen, mit der U-Bahn bis Westhafen fahren und von dort aus mit der S-Bahn zum Gesundbrunnen. „Der Umweg und das viele Umsteigen waren schon ganz schön anstrengend“, sagt der junge Mann, während er auf Gleis 6 steht und die Anzeigetafeln beobachtet. Laut Plan soll sein Zug Richtung Elsterwerder um 13.25 Uhr abfahren. Der lässt jedoch auf sich warten – wie so viele andere Züge an diesem Tag. Verspätungen von 15 Minuten sind fast schon Minimum.

„Hier geht es heute ganz schön chaotisch zu“, sagt eine Mitarbeiterin der Bahn. Während sie die Züge abfertigt, wird sie im Minutentakt von Fahrgästen angesprochen, die Auskünfte darüber erhalten wollen, mit welchem Zug sie wohin fahren können. Auch ihr Kollege von der S-Bahn auf dem benachbarten Gleis wird öfter als sonst von Reisenden um Rat gebeten. „Die wenden sich an uns, um zu erfahren, wie sie weiterkommen. Dabei haben wir mit dem Fernverkehr gar nichts zu tun.“ Die S-Bahn-Linien, die über Bahnhof Gesundbrunnen fahren, verkehren ohne Unterbrechung.

Anders am S-Bahnhof Friedrichstraße. Dort müssen die Fahrgäste wegen des gesperrten Hauptbahnhofs in den Schienenersatzverkehr bis S-Bahnhof Bellevue umsteigen. Auch Fernreisende kommen hier nicht weit. Nur im unterirdischen Bereich des Bahnhofs, im sogenannten Nord-Süd-Tunnel, fahren die Züge durch; die Stadtbahnstrecke ist gesperrt. „Oben lang fahren überhaupt keine Züge“, erklärt eine Bahn-Mitarbeiterin den Fragenden. Sie ist am Morgen mit mehreren Kollegen abgestellt worden, um irritierten Fahrgästen behilflich zu sein. Nun steht sie an der Treppe zum Fernbahnsteig, die Anzeigetafel über ihrem Kopf zeigt nichts an. Es gibt kaum einen Fahrgast, der an ihr und den drei männlichen Kollegen vorbeigeht, ohne eine Auskunft einzuholen. „Die Kunden sind genervt, aber trotzdem bleiben sie uns gegenüber freundlich“, sagt die Mitarbeiterin.

Freundlich bleibt auch Sascha Hermann. Er wollte vom Ostbahnhof aus nach Cottbus fahren, doch der Fernbahnsteig ist fast menschenleer. Von den vielen Umleitungen wegen der Verwüstungen und Schäden durch Orkan Kyrill weiß er angeblich nichts, Nachrichten habe er an diesem Tag noch nicht gehört oder gesehen. Deshalb steht er jetzt entsprechend überrascht und ratlos auf dem Bahnsteig. Nach wenigen Augenblicken wendet er sich an einen Mitarbeiter der Bahn – um zu erfahren, dass sein Zug über Lichtenberg geleitet wird. Nun muss der 21-Jährige die vier Stationen dorthin mit der S-Bahn fahren. Er nimmt es hin: „Toll ist das nicht, aber was soll man machen?“

Allein gelassen fühlen sich viele Fahrgäste in Spandau, wo alle ICE-Züge halten. Auf den Bahnsteigen habe es keine Mitarbeiter gegeben, die Auskünfte geben konnten, klagen Kunden. Über die Informationstafeln würden die Reisenden zwischen den Bahnsteigen hin und her geschickt. Völlig überfüllt ist das Reisezentrum.

Im Bahnhof Zoo haben Mitarbeiter der Bahnhofsmission die Rolle der Auskunftgeber in der Empfangshalle übernommen. Auch dort sind sie sehr gefragt. ICE-Züge halten auf dem Bahnhof nicht. Sie werden von Spandau nach Gesundbrunnen geleitet.

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