zum Hauptinhalt
Im Training. Das kollektive Spektakel des Volkslaufs ist das große Ziel unseres Autors.

© iStock

Tagebuch vor dem Berliner Lauf: Der Marathon-Mann

Einen Tag vor dem großen Berliner Lauf beschreibt unser Autor das größte Abenteuer daran: die Vorbereitung. Eine Stadtbesichtigung in Etappen. Lesen Sie hier einen Auszug und den ganzen Beitrag im digitalen Kiosk Blendle.

Laufen ist schön, vor allem dann, wenn sich dem Läufer Wildschweine in den Weg stellen und man Auge in Auge mit der Sau alle Sorgen über Bord werfen kann, weil man sich fragt, wie man dieses borstige Schlamassel am besten hinter sich lässt. In der Früh habe ich zwei Packungen Haarwuchsmittel in den Mülleimer geworfen. Das Mittel, stand auf dem Beipackzettel, „stabilisiert den Verlauf des anlagebedingten Haarverlustes (androgenetische Alopezie) im Tonsurbereich der Kopfhaut von 3–10 Zentimetern Durchmesser bei Männern im Alter von 18–49 Jahren.“

Ich bin 49. Raus aus der Kern- und Wirksamkeitszone. Ich bin zu alt, um mir zwei Mal am Tag eine stinkende Flüssigkeit auf den Kopf zu träufeln und einzumassieren. Jetzt stehe ich hier und beneide die Sau um ihr prächtiges Fell. Das Schwein ist nicht allein, fünf Meter hinter ihm steht noch so ein ölig glänzender Brocken und glotzt. So glotzen wir uns an, zu spät, einander auszuweichen. Selbst die Ohren des Tieres sind dicht bewachsen, die braunen Augen sind klein, der Rüssel, der von einem feinen Frühnebel umspielt wird, sieht aus wie ein rosiger Vorschlaghammer. Jetzt keine falsche Bewegung.

Nein, ich mache dem Tier keinen Vorwurf. Was hast du hier zu suchen, in der Messelstraße in Dahlem? Mitten in der Stadt? Warum trollst du dich nicht in den Wald? Ich meine zu spüren, dass das Tier mir auch keinen Vorwurf macht: Was willst du so früh in unserem Revier? Warum trägst du so komische Kleidung? Warum ist dein Fell so licht? Warum läufst du nicht auf vier Beinen wie jede andere anständige Sau? Nein, das empfindsame Tier grunzt sanft, weicht aus, trottet weiter und verschwindet. Jetzt bin ich glücklich. Meine Beine sind zwar noch weich wie Mohrrüben, die viel zu lange im Kühlschrank lagen, aber mein Herz schlägt fest und freudig. Ich habe Schwein gehabt und ein Ziel: den Marathon am 27. September 2015 laufen. Es ist Mai. Es bleiben also noch fast fünf Monate Zeit, sich in Form zu bringen. Ich trabe langsam über den Südwestkorso nach Hause, halte beim Bäcker: „Sie lächeln ja so?“, bemerkt die Verkäuferin. „Ja, ich weiß wieder, was ich will!“

Der Tagesspiegel bietet diesen Artikel kostenpflichtig (25 Cent) im neuen digitalen Kiosk Blendle an - hier geht es zum vollständigen Beitrag. - Mehr über Blendle lesen Sie hier.

Torsten Körner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false