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Eigentumswohnungen in der Flottwellstraße am Park am Gleisdreieck

© Tsp/Kitty Kleist-Heinrich

Tagesspiegel-Diskussion: Wie schafft Berlin schneller neuen Wohnraum?

In Berlin muss mehr gebaut werden, damit das Wohnen erschwinglich bleibt. Über den Weg dahin diskutierte Senatorin Katrin Lompscher mit Fachpolitikern.

Von Hendrik Lehmann

Über eines waren sich ausnahmsweise alle Anwesenden bei der Tagesspiegel-Diskussion am Mittwochabend einig: Es muss mehr gebaut werden, wenn sich auch in Zukunft Menschen das Dach über ihrem Kopf noch leisten können sollen. Das hat in Berlin gleich mehrere Gründe, wie Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, gleich eingangs sagte. Zum einen: „Berlin ist um eine veritable Großstadt gewachsen. Und das wird sich auch nicht ändern“, so die Senatorin. Zweitens: „Der größte unbefriedigte Wohnungsbedarf besteht im kleinen und mittleren Einkommensbereich“.

Dieses Problem ist umso frappierender, weil die Reallöhne in Berlin gesunken sind. Um 0,8 Prozent, wie Erhebungen des Landesamt für Statistik jüngst ergaben. Drittens: „Wir haben inzwischen 60.000 genehmigte, aber nicht gebaute Wohnungen. Mindestens ein Drittel hat noch nicht mal angefangen“, sagte Lompscher.

Und da werden die Gründe schon komplizierter: Die Baukosten sind stark gestiegen, weil die Baubranche gerade mehr Nachfrage hat als sie eigentlich decken kann. Grundstücke in der Stadt werden rarer. „Und auch“, so Lompscher, „weil Nichtbauen manchmal mehr Geld bringt als Bauen“. Denn die Wertsteigerungen von Baugrund alleine reichen schon, um ihn als Anlage zu besitzen. Unbebauter Boden wird in Berlin schließlich jedes Jahr wertvoller.

Sind gut gemeinte Regelungen ein Hindernis?

Obendrauf kommt, dass sich die linke Senatorin vorgenommen hat, Bauland verstärkt an solche Investoren und Bauherren zu geben, die sozialverträglich bauen wollen und dabei trotzdem gemischte Quartiere anstreben: „Niemand hat Interesse daran, die neuen sozialen Brennpunkte des 21. Jahrhunderts zu bauen“, sagt Lompscher. Sie will deshalb die 300.000 stadteigenen Wohnungen in den nächsten zehn Jahren auf 400.000 erhöhen. Bauherren für sozialverträgliches Bauen, die sich idealerweise auch noch auf Regelungen einlassen, die eine lange Wohnraumbindung für Mieter erlaubt, sind aber erst recht schwer zu finden: Eine solche Vereinbarung könne man mit den kommunalen Wohnungsunternehmen abschließen, sagt Lompscher: „Ich kann sie aber nicht mit der Deutsche Wohnen abschließen. Ich habe es versucht“. So gibt es derzeit zumindest ein veritables Dilemma bei der Lösung der Berliner Wohnungskrise. 

„Verhindern also diese gut gemeinten Regelungen letztlich, dass schnell genug gebaut wird?“, wollte Tagesspiegel-Redakteur Ralf Schönball von der Diskussionsrunde wissen. Neben Lompscher waren an dem Abend Fachpolitikerinnen und -politiker aller Bundestagsparteien anwesend. Und die bat er nun, was sie an ihrer Stelle Lompscher empfehlen würden, um die Wohnungsmarktprobleme der Stadt zu lösen.

Daniel Föst von der FDP hatte da eine einfache Antwort: „Wir müssen mehr bauen, höher bauen, schneller bauen und günstiger bauen. Runter vom Goldstandard in Europa!“

Udo Theodor Hemmelgarn von der AfD hatte da ähnliche Vorstellungen, wollte aber noch mehr Schranken für Investoren abschaffen. Nebenbei erwähnte er dann noch die Osterweiterung und die Flüchtlinge als Ursachen der Wohnungsknappheit in Deutschland und gab der Regierung die Schuld, darauf nicht rechtzeitig reagiert zu haben.

Jan-Marco Luczak (CDU) konstatierte, dass bundesweit 1,5 Millionen Wohnungen fehlen, gleichzeitig aber 1,5 Millionen Wohnungen leerstehen. Es sei deshalb wichtig, den ländlichen Raum zu stärken, um den Druck in den Städten zu mindern. Es müssten Anreize fürs Bauen geschaffen werden, aber auch „soziale Leitplanken“ eingezogen werden. Lompscher schlug er vor, die „hohe Grunderwerbssteuer von sechs Prozent in Berlin zu senken“. Und er meinte, ihre Partei sei Mitschuld daran, dass eines der größten Freiflächen, das Tempelhofer Feld, durch einen Volksentscheid nicht bebaut werden könne. Natürlich müsse man so einen demokratischen Entschluss zwar akzeptieren, aber man sei eben auch mit dafür verantwortlich, dass er überhaupt gefällt wurde. Luczak sah bei zunehmender Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben ein generelles Problem: „Da müssten Politiker auch mal das Allgemeinwohl durchsetzen“, sagte er.

Er kritisierte außerdem, dass die soziale Wohnraumförderung in Berlin für die untere Mittelschicht ein großes Problem sei. Denn die 30 Prozent sozialverträglicher Wohnraum, die bei Neubauprojekten in Berlin geschaffen werden müssen, führten auch dazu, dass die übrigen 70 Prozent der gebauten Wohnungen umso teurer würden. „Wenn wir über soziale Wohnraumförderung sprechen, erreichen wir die Krankenschwestern und kleinen Polizisten deswegen nicht“, sagte er.

Forderung nach mehr Transparenz

Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, lobte zwar viele der Maßnahmen in Berlin, empfahl Lompscher aber, mehr gegen Immobilienspekulation in der Stadt zu unternehmen. Berlin ist inzwischen wirklich einer der wichtigstem Orte für Investoren: „Wenn inzwischen die Immobilienfirma von Warren Buffet hier aktiv ist, die als Regel hat, erst in einen Markt zu gehen, wenn mindestens 25 Prozent Rendite zu erwarten sind, dann muss man das ernst nehmen.“ Bei Finanzmarktregulierungen sei mittelfristig beispielsweise eine Antispekulationssteuer denkbar. „Erst einmal muss man aber die Share Deals beenden“, sagte die Abgeordnete. Sie war damit die einzige, die stärker auf die globalen Abhängigkeiten des gegenwärtigen Immobilienmarktes einging.

Bernhard Daldrup von der SPD lobte Lompschers Vorstoß, 100.000 zusätzliche städtische Wohnungen zu bauen.  Er warb außerdem für die Verschärfung der Mietpreisbremse, die schon am Freitag weiter diskutiert werde. Auch er argumentierte für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.

Caren Lay von der Linken stimmte im Wesentlichen Lompscher zu und bekräftigte nochmals das Berliner Modell. Es sei wichtig, dass auch in Zukunft Reiche und Arme zusammen in die Schule gehen. Deshalb sei reine Schnelligkeit keine Lösung.

Eines aber wurde an dem Abend von keinem der anwesenden Politiker wirklich angesprochen, wie Raoul Bunschoten, Professor für Urban Design an der TU Berlin am Rande der Veranstaltung bemerkte: Wie kann man eigentlich so viele Wohnungen so schnell bauen? „Mit den gegenwärtigen Bauweisen aus den 70er-Jahren ist das völlig unmöglich so schnell so viele Wohnungen zu bauen“, sagte er. Erst recht, wo die Bauunternehmen so volle Portfolien hätten, dass sie wenig auf neue Aufträge angewiesen sind. „Wir bauen noch immer hauptsächlich mit der Hand“, sagte er, „was wir brauchen, ist sowas wie eine technische Revolution bei den Bauweisen selbst, sei es mit Robotern oder modularem Holzbau auf Häuserdächern“. 

Vielleicht wäre das dann ja eine Idee, wie Katrin Lompscher es schaffen könnte, in 10 Jahren 100.000 Wohnungen für die Berliner zu bauen. Bleibt zu hoffen, das bis dahin nicht schon viele aus der Innenstadt verdrängt wurden.

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