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Die gemeinsame Arbeit geht nur schleppend voran.

© Jim Avignon

Tagesspiegel Exklusiv: Auf Tour mit Jim Avignon - Teil Fünf

Der Berliner Pop-Art Künstler Jim Avignon bereist die Karibik und Mittelamerika. Er bloggt für Tagesspiegel.de, diesmal über sein Projekt mit Künstlern in Santo Domingo - dazu gibt es auch ein Video.

Er ist seit Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Pop-Künstler - und ein Kulturarbeiter, der immer wieder überraschen kann: Bei Jim Avignon ist das Doppelherz der zwei Begierden, das immer wieder neu ausprobieren, ein Teil seiner Existenz. Eine Wohnung in New York, die andere im Kreuzberger Graefekiez, hier die Malerei, dort die Musik mit seinen Bands Neoangin oder Anxieteam, oder die von ihm betriebene Galerie in Brooklyn.

Maler, Musiker, Partymacher - alles gehört zusammen. Das Zappen zwischen Städten und Kunstformen gehört für den 1966 geborenen Jim Avignon zum Konzept seiner schnellen, aggressiven "cheap art". Mit seinen bunten, plakativen Bildern, oft mit politischen Aussagen, ist Avignon zu einem der internationalsten Berliner Künstler geworden, der wie kaum ein anderer mit hoher Sensibilität das Leben im Berliner Mikrokosmos ausdrücken kann.

Avignon hat in seiner Karriere schon eine Swatch-Uhr gestaltet, ein Passagierflugzeug bemalt oder zur Eröffnung des Berliner Olympiastadions ein 2.800 Quadratmeter großes Bild gemalt. Auch für den Tagesspiegel hat Avignon schon gearbeitet; erst vor wenigen Monaten präsentierte er auf den "Mehr Berlin"-Seiten exklusiv ein Bild, bei dem er sich mit dem Thema Gentrifizierung in der Hauptstadt beschäftigte.

In den kommenden Wochen können Leserinnen und Leser von Tagesspiegel.de Jim Avignon nun häufiger begegnen. Im Rahmen einer Tour durch die Karibik und Mittelamerika schreibt er auf Tagesspiegel.de in seinem Blog und präsentiert Fotos und jüngst entstandene Bilder.

Avignon ist auf Einladung des Goethe-Instituts in verschiedenen Ländern unterwegs. Auf der Tournee mit dem Titel "de mi barrio a tu barrio" macht er Workshops mit lokalen jungen Künstlern und plant an den diversen Stationen auch gemeinsame Kunstaktionen. Im Sommer soll es in Berlin dann eine Ausstellung in der Galerie Neurotitan geben.

Wir wünschen viel Vergnügen mit dem Blog und den Fotos.

Die Kunst kommt nicht voran (Tag 22 & 23)

Eine zusätzliche Leinwand in der Grösse 12 x 1 Meter soll als Fries über dem Eingang hängen.
Eine zusätzliche Leinwand in der Grösse 12 x 1 Meter soll als Fries über dem Eingang hängen.

© Jim Avignon

Patricia Grassals ist schon vor uns da und hat auf eigene Faust die schmalen, noch freien Rückseiten bemalt. Ihre flott gemalten Frauen mit opulenten Afrofrisuren gefallen uns auf Anhieb. Wir haben noch nicht das opulente Frühstuck verdaut, da trifft bereits das nicht minder opulente Mittagessen ein. Ein willkommener Grund eine längere Malpause einzulegen. Die anderen Künstler haben nun auch Freunde, Kinder oder Hunde zum Malen mitgebracht, es herrscht eine leutselige Stimmung, nur mit der Kunst kommen wir nicht richtig voran.

Eine zusätzliche Leinwand in der Grösse 12 x 1 Meter soll als Fries über dem Eingang hängen. Um doch noch etwas Kollaboration ins Spiel zu bringen, schlage ich eine Gruppenbild vor, bei dem jeder Künstler mit einem Character beteiligt ist. Die Begeisterung hält sich allerdings in Grenzen, einige lassen sich zu einer schnellen Skizze  überreden , andere winken gleich ab, und bitten mich einfach ihren Character zu covern - schnell wird klar, dass ich den Fries hauptsächlich im Alleingang pinseln muss.

Auf eigene Faust hat Patricia Grassals die schmalen, noch freien Rückseiten bemalt.
Auf eigene Faust hat Patricia Grassals die schmalen, noch freien Rückseiten bemalt.

© Jim Avignon

Auch für unsere Pasteups ist auf den Leinwänden kein Platz. Da wir sie aber auch nicht auf die denkmalgeschützen Wände kleben dürfen, entscheiden wir, die Drucke aus den anderen Ländern auf Styroporplatten zu kleben, diese auszusägen und im Eingangsbereich als Mobile aufzuhängen. Styropor ist nicht zu bekommen, stattdessen gibt es beschichtete Kunststoffplatten, die sich allerdings beharrlich weigern, den Kleister anzunehmen. Wir versuchen es trotzdem.

Sehen Sie hier im Video, was Jim Avignon in Santo Domingo erlebte:

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Alle 2 Stunden mache ich die Runde und rette die überall achtlos hingeworfenen Pinsel vor dem sicheren Tod durch Austrocknung. Leinwandkünstler haben offenbar wenig Respekt vor ihren Arbeitsmaterialien. Die Leinwand von Luis Hidalgo und Kollerart ist auch am 3ten  Tag immer noch fast gänzlich unbemalt. Die beiden fragen an, ob ich nicht eine Hintergrundfarbe für ihr Bild vorschlagen und wenn möglich diese auch gleich selber draufmalen möchte. Ich bin wenig begeistert, ziehe aber mit, weil morgen ja schon Vernissage ist.

Gemeinsame Stärkung beim Mittagessen.
Gemeinsame Stärkung beim Mittagessen.

© Jim Avignon

Als ich damit fertig bin, machen wir Feierabend und suchen ein Restaurant, das wir im Internet entdeckt haben. Wir verlaufen uns dabei aber  hoffnungslos im Gewirr der schlechtbeleuchteten Gassen und sind heilfroh, als wir endlich wieder auf der Fußgängerzone stehen. Schnurstracks landen wir im nächstbesten Touri-Restaurant.

Ein Gebet zum Himmel während der Vernissage (Tag 24)

Die Bilder spiegeln sich im Regenwasser.
Die Bilder spiegeln sich im Regenwasser.

© Jim Avignon

Der Tag der Vernissage. Die deutsche Botschaft will die Veranstaltung "sauber" über die Bühne bringen und schaltet einen Gang höher. Überall werden Sachen hin und her getragen. Der grosse Fries – noch nicht fertiggemalt, aber schon aufgehängt. Sorry, der muss nochmal runter.  Beim Fernsehinterviews steht Horst Blasinger hinter mir und nickt zufrieden, wenn ich die Botschaft erwähne. Er ist sogar über mein Musikrepertoire informiert und wünscht sich einen Song ( für seine Frau).

Bei unsern Künstlern ist von Endspurt-Stimmung wenig zu spüren - seelenruhig arbeiten alle weiter, ziehen Linien und tupfen Farbe, bis ihnen schließlich die Gerüste unterm Hintern weggezogen werden.

Dann der große Moment, zum ersten Mal sehen wir die Bilder "ohne" und siehe da, sieht doch ganz gut aus. Wir finden das Teamwork von Luis Geraldino, hauptberuflich Arzt, und Ana de Leon die bisher beste Arbeit der Tour. Horst Blasinger inspiziert seinerseits die Werke, das Gemeinschaftswerk der beiden Exilkubaner stellt ihn noch nicht ganz zufrieden. Zu wenig Farbe, konstatiert er und fragt nach, ob denn nächste Woche nochmal nachgemalt werden könne.

Genau zur Vernissage geht ein tropischer Regenschauer nieder.
Genau zur Vernissage geht ein tropischer Regenschauer nieder.

© Jim Avignon

Am Nachmittag ziehen Wolken auf, die sich so nach und nach zu einer dunklen Wolkenfront verdichten. Das sieht nicht gut aus und tatsächlich, genau zu unserer Vernissage geht der zweite tropische Regenschauer nieder. Ein paar Pressevertreter und die ersten Gäste sind schon da und drücken sich in die Ecken. Ich bete zum Himmel, dass die Acrylfarbe wenigstens ein bisschen wasserfest ist.

Schon bilden sich erste Wasserlachen auf dem Boden, Meine Tochter will schon wieder durch den Regen rennen, fällt aber diesmal der Länge nach hin und ist den Rest des Abends sauer. Dann steht plötzlich der endlich eingetroffene Botschafter vor mir, großgewachsen, weißhaarig und sehr weit weg. Unwillkürlich muss ich an den Monolithen in 2001- Space Odysee denken.

Eröffnungsreden zur Vernissage
Eröffnungsreden zur Vernissage

© Jim Avignon

Wir stolpern durch ein kurzes, höfliches, aber belangloses Gespräch, dann werden die Journalisten zusammengetrommelt und der beste Ort für ein Gruppenfoto diskutiert. Es folgt ein Feuerwerk an Danksagungen, während der Regen zunehmend stärker auf alle Beteiligten niederprasselt. Wir versuchen uns trotzdem die Laune nicht vermiesen zu lassen. Streetart hin – Leinwand her, zumindest das Zusammenmalen hat doch diesmal ganz gut geklappt. Schon wollen sich die ersten Gäste wieder verdrücken. In Windeseile baue ich mein Equipment auf, um die Show zu beginnen.

Dummerweise habe ich die Tasche im Regen stehen lassen , nun ist alles nass: Masken, Bühnenbilder, ich hoffe, dass wenigstens die Instrumente noch tun. Sie tun. Ich versammle das Publikum in einer trockenen Ecke und versuche ein bisschen Stimmung aus dem Hut zu zaubern. Klappt ganz gut. Kaum bin ich mit meinem Repertoire durch, als plötzlich Breakdancer auftauchen und eine kleine Kostprobe geben. Nur meine Tochter hat keine Lust mehr und will heim. Ergo, wir packen zusammen und zurück ins Hotel.

Dort stelle ich fest, dass ich meinen Malerhut auf dem Balkon liegengelassen habe. Nun ist er klatschnass und völlig aus der Form. Schweren Herzens lasse ich ihn im Hotel zurück.

Jim Avignon

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