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Berlin: Tagesspiegel-Leser traten in Gastrollen auf und wurden von Hausherr Thomas Ostermeier instruiert

Manchmal kommt es vor, dass Schauspieler, zum Entsetzen der Zuschauer, von der Bühnenwelt herabsteigen und mit einem mächtigen Grinsen im Publikum herumstapfen. Am Montagabend in der Schaubühne sollten nun die Zuschauer mal mächtig grinsen.

Manchmal kommt es vor, dass Schauspieler, zum Entsetzen der Zuschauer, von der Bühnenwelt herabsteigen und mit einem mächtigen Grinsen im Publikum herumstapfen. Am Montagabend in der Schaubühne sollten nun die Zuschauer mal mächtig grinsen. Genauer gesagt 20 Tagesspiegel-Leser, die jeweils zwei Karten beim wöchentlichen Spiel des Veranstaltungsmagazins "Ticket" für das Thomas Ostermeier-Stück "Personenkreis 3" gewonnen hatten. Denn Ostermeier wollte die 20 im zweiten Teil, nach kurzem Proben in der Pause, mit in das Schaubühnen-Rennen schicken. Mit einem großen Grinsen. Hoffentlich.

Letzte Szene des ersten Teils. Nachdem Passanten kreuz und quer zwischen Obdachlosen und Junkies über den Vorplatz eines U-Bahnhofs gelaufen sind, wird nun ein Sessel hereingeschoben. Auf ihm räkelt sich eine füllige Nackte vor einer Videokamera. Das Grinsen der 20 wird schlagartig ein wenig hölzern. Eine Dame verläßt überfordert das Theater. "Was wird denn da wohl auf euch zukommen", hat mich meine Mutter gefragt", erzählt Anna, "aber dann durfte ich in der Pause noch nicht mal auf die Toilette". Die Angst, dass Ostermeier mit den restlichen 18 (minus der Dame, die das Theater schon verlassen hat) zum Proben irgendwohin verschwindet und sie ihn nicht mehr fände, war zu groß. Also steht Anna mit überkreuzten Beinen als erste am verabredeten Ort und wartet auf ihren Regisseur. Der Rest muss sich offensichtlich noch etwas Mut antrinken. Nach einer Weile sind es vier, fünf, sieben. Bei neun ist Schluss. Also schiebt Ostermeier - gerade schlaflos aus Taormina, mit dem Euopäischen Junior-Theaterpreis unterm Arm, hereingeschwebt - die Ärmel seines Adidas-Jäckchen hoch und schleicht mit den Mutigen unter die Bühne. Überall Kleiderständer, Schminktische - und Bierflaschen. Requisite. Klar.

"So!", ruft Ostermeier. Der Blick der neun schwankt zwischen neugierig und ängstlich. "Wir dachten uns, dass ihr als Passanten über den U-Bahnhof-Vorplatz lauft." Erleichterung bei den neun. Und ein mächtiges Grinsen. "Naja, ich hab mir schon gedacht, dass wir nicht nackisch gehen müssen", gesteht eine Dame. Die Erleichterung tropft ihr dennoch deutlich aus den Schultern. "Obwohl", überlegt eine andere, "von den Körpermaßen hätte ich gut zu der Nackten gepasst." Anna will aber doch wissen, ob sie sich durch einen Wald nackter Schauspieler kämpfen muss. So ganz scheint die Truppe ihrem Regisseur noch nicht zu trauen. Ostermeier grinst. Und sagt nix. Nachfragen ist gut. Vertrauen besser. Also lieber Fragen zur Technik. Wo soll man denn hinschauen? Und wie schnell muss man gehen? Als nun die große Stunde schlägt, sind die neun doch aufgeregter als vorher angenommen. "Als ich drüben war, da konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, wie ich losgegangen bin." Heide Moldenauer ist beeindruckt von der Wirkung des Theaters und überlegt, wie sie es beim nächsten Mal besser machen könnte. Ich würde dem, der mich auf der Bühne nach einem Taschentuch gefragt hat, ein Taschentuch geben."Auch nächste Woche gibt es wieder zwei Karten für eine außergewöhnliche Veranstaltung im "Ticket" zu gewinnen.

Kerstin Kohlenberg

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