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Schönefeld wächst rasant. Aktuell sind 1500 neue Wohnungen im Bau.

© Kitty Kleist-Heinrich

Tagesspiegel-Umlandserie (8): Schönefeld: Erfolgsgeschichte abseits des Flughafens

Hinterm Zaun die BER-Baustelle, aber davor bewegt sich so einiges: neue Einwohner, Schulen, Wohnungen, ein Schwimmbad...

Mal sehen, ob der neue BER-Flughafen auf dem Territorium seiner Gemeinde eröffnet, bevor er 2019 in Pension gehen wird. Udo Haase, 65 Jahre, Bürgermeister von Schönefeld, ist gespannt. „Ist ja inzwischen eine unendliche Geschichte. Jetzt gibt es ja nicht einmal mehr einen Termin zu verkünden. Vielleicht schreibe ich mal ein Buch: Ich kannte sie alle.“

Er meint die diversen Airportchefs, die sich seit 2006 bislang vergeblich auf der Baustelle des neuen BER-Airports versuchen, der wie das alte DDR-Terminal in Sichtweite des Schönfelder Rathauses liegt. Mit dem im Frühjahr abservierten Karsten Mühlenfeld oder vorher auch mit Hartmut Mehdorn, die er beide schätzte, hatte Haase sogar Mitleid. Mehdorn etwa sei vom Aufsichtsrat so „eingeengt“ worden, dass er nicht einmal über den Ankauf eines kleinen Grundstückes allein entscheiden konnte. „Hartmut durfte ja weniger als ich.“

„Schönefeld – Gateway to the world“

Im Gegensatz zum BER ist die Schönefeld-Geschichte „vor dem Zaun“, wie der Bürgermeister es ausdrückt, die eines Höhenfluges. Nämlich eine Erfolgsstory, die selbst für Verhältnisse des prosperierenden Berliner Speckgürtels beeindruckt. Natürlich hat das auch mit dem Flughafen zu tun, der von Schönefeld und seinen Ortsteilen Waltersdorf, Waßmannsdorf, Selchow und Kiekebusch quasi umzingelt wird, Gewerbegebiete und Einkaufszentren inklusive.

Schon heute starten und landen am „SXF“ so viele Menschen wie in Köln-Bonn, zwölf Millionen waren es im vergangenen Jahr, eine Million 1990. So etwas prägt auch das Selbstverständnis: „Schönefeld – Gateway to the world“, steht auf einer Infotafel im Foyer des Rathauses. Und wegen des alten DDR-Flughafens hat Schönefeld die Berliner Vorwahl „030“, obwohl es in Brandenburg liegt. „Schön kurz – und Berlin. Firmen wie Ikea oder Höffner finden das gut. Das ist lange gewachsen“, erzählt Haase. „Schon zu DDR-Zeiten hieß es ja immer Berlin-Schönefeld.“

Seit dem Mauerfall verdreifacht

So schnell wie heute wuchs die Gemeinde nie zuvor. Als die Mauer fiel, zählte Schönefeld zusammen mit den anderen Orten, die 2003 zur heutigen Großgemeinde fusionierten, knapp fünftausend Einwohner. Heute sind es knapp 15 000, womit die Gemeinde bereits märkische Kleinstädte wie Belzig, Jüterbog oder Lübben hinter sich gelassen hat. „Und 30 000 Einwohner sollen es einmal werden“, sagt Haase. Aktuell sind 1500 Wohnungen im Bau. „Das ist erst der Anfang. Es werden noch einige tausend gebaut. Platz haben wir genug.“ Der gut erreichbare Ort unmittelbar an der südlichen Berliner Stadtgrenze ist für Zuzügler attraktiv. Neulich hat einer der Neu-Schönefelder einfach das Ortseingangsschild versetzt, erzählt Haase. Seine Besucher sollten denken, dass sich das Häuschen noch in Berlin befinde. „Kein Witz, ist wirklich passiert.“

Eigentlich ist Haase, der den Ruf eines Machertyps hat, mehr Baumeister als Bürgermeister. Man kommt kaum hinterher, wenn er im Stakkato aufzählt, was alles entsteht, schon entstanden ist. Das Rathaus, die Astrid-Lindgren-Grundschule, vis-à-vis, hundert Meter weiter die „Schönefelder Welle“. Ja, selbst sein kleines, feines neues Schwimmbad, 25–Meter-Bahnen, Sauna, moderate Preise, hat sich der Ort geleistet. „Vorher hatten wir ein Drittel Nichtschwimmer unter den Kindern. Seitdem lernen alle schwimmen“, sagt Haase. Es hat sich herumgesprochen, viele Gäste kommen aus Rudow und Lichtenrade.

Eine Neubausiedlung mit Reihenhäusern und enstehenden Miet- und Eigentumswohnungen an der Rudower Chaussee in Schönefeld.
Eine Neubausiedlung mit Reihenhäusern und enstehenden Miet- und Eigentumswohnungen an der Rudower Chaussee in Schönefeld.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gewerbesteuern füllen die Stadtkasse

Und wenn die Schönefelder etwas unbedingt wollen, dann machen sie es – notfalls eben allein, selbst wenn eigentlich andere zuständig wären oder zahlen müssten. So war es, als die Gemeinde 2011 den S-Bahnhof in Waßmannsdorf baute, wo weiterhin nur leere S-Bahnen zur Belüftung des BER-Tiefbahnhofs fahren. Für ein eigenes Gymnasium köderte die Gemeinde die evangelische Schulstiftung mit einem Bauzuschuss von einer Million Euro. „So bekamen wir unser erstes Gymnasium. Jetzt bauen wir ein staatliches.“

Das alles kostet Millionen. Doch Schönefeld ist für Brandenburger Verhältnisse eine reiche Gemeinde. Auch dank der Gewerbesteuern, die die Firmen zahlen, die sich in den Gewerbegebieten entlang der B 96 und der Autobahn niedergelassen haben. Den Hebesatz hält die Gemeinde bewusst niedrig bei 240 Prozent (Berlin nimmt 410 Prozent, der Brandenburger Durchschnitt liegt bei rund 320 Prozent), um Firmen zu halten und neue zu locken. Das zahlt sich aus: Im Jahr nimmt die Gemeinde rund 90 Millionen Euro ein, wovon 29 Millionen an die Landeskasse abgeführt werden müssen.

Bürgermeister warnt vor Verkehrschaos

Sorgen hat der Bürgermeister trotzdem, vor allem die, dass mit der Eröffnung des Flughafens BER ein Verkehrschaos droht, zumal dann, wenn in den ersten Jahren entgegen den ursprünglichen Plänen der alte Schönefelder Airport parallel weiter betrieben wird und 35 oder 40 Millionen Menschen und mehr in Schönefeld ankommen oder abfliegen. Es macht Haase fassungslos, das Brandenburgs Infrastrukturministerium weiterhin so tut, als reiche die bisherige BER-Anbindung aus. Seine Warnungen, sagt Haase, würden regelmäßig abgewiegelt. „Was sollen wir denn noch tun? Wir bezahlen die teuren Untersuchungen, bieten dem Land Hilfe an, bauen Autobahnanschlüsse, weil die sonst nicht gebaut würden“. Alles vergeblich, bislang.

Davon abgesehen macht es offensichtlich Spaß, hier Bürgermeister zu sein. Es entsteht so viel Neues in Schönefeld, dass Haase jedes Jahr einen Foto-Kalender mit aktuellen Panoramaluftbildaufnahmen herausgibt, der den Wandel dokumentiert. In diesem Jahr wird die „Hurrican Factory“ eröffnet, der „größte Windkanal Europas“, in dem man in einem Luftstrom mit 280 Stundenkilometern Fallschirmsprünge trainieren kann. Die größte Investition im Ort nach dem BER ist das neue Klärwerk, das für 450 Millionen Euro von den Berliner Wasserbetrieben errichtet wird, „es wird auch das modernste Europas“. Was er noch gern in Schönefeld sähe? „Ein Eventcenter“, sagt Haase. „Mit dreitausend, viertausend Plätzen, für Sportwettkämpfe, für Musikkonzerte.“ Vor dem Flughafenzaun scheint in Schönfeld fast alles möglich.

Berlin wächst über sich hinaus – und mit dem Umland zusammen. In unserer Serie stellen wir acht Orte und Regionen vor, die von der wachsenden Metropole profitieren. Welche Chancen eröffnen sich, und welche Herausforderungen stellen sich? Wer bietet mehr: neue Wohnungen, Kitas und Schulen, Lebensqualität, kurze Wege nach Berlin. Unsere Reise führt einmal rund um die Hauptstadt. Die letzten Folgen: NeuenhagenPotsdam, Bernau bei Berlin, FalkenseeKönigs Wusterhausen und Hohen Neruendorf.

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