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Berlin: Tanz mit mir

Ach, was war das für eine Zeit, damals, als sich Tanzen noch als Freizeitbeschäftigung für Paare galt: Die Damen kamen im Kleid, hatten gepuderte Näschen, und die Herren erschienen im Anzug. Dann nahm alles den angestammten Platz ein, schön nach Geschlecht getrennt, nur zum Tanzen traf man sich auf dem Parkett, und selbst das war reglementiert.

Ach, was war das für eine Zeit, damals, als sich Tanzen noch als Freizeitbeschäftigung für Paare galt: Die Damen kamen im Kleid, hatten gepuderte Näschen, und die Herren erschienen im Anzug. Dann nahm alles den angestammten Platz ein, schön nach Geschlecht getrennt, nur zum Tanzen traf man sich auf dem Parkett, und selbst das war reglementiert. Jedes junge Mädchen notierte auf seiner Tanzkarte, wer wann mit ihm tanzen durfte. Zu spät Fragende bekamen die Antwort „Ich bin ausgebucht.“

In Clärchens Ballhaus hat solches Tanzen wohl kaum Tradition gehabt. In Heinrich Zilles Zeichnungen zumindest sieht es nicht danach aus, als hätten die anwesenden Damen dazu Muße gehabt. Das Ballhaus, dass Ende des Ersten Weltkriegs nach der Witwe des ersten Besitzers benannt wurde, lädt seit dem 13. September 1913 zum Schwofen ein. Am 1. Januar ist es in die Hände der Hexenkessel-Hoftheater-Betreiber übergegangen, allerdings mit leicht verändertem Namen. Die Namensrechte an „Clärchens Ballhaus“ wollten die letzten Besitzer nicht abtreten, daher heißt das Haus jetzt „Ballhaus Mitte“.

Das Ballhaus liegt eingebettet zwischen Kunstgalerien und Szeneläden in der Auguststraße. Das alte Namensschild hängt noch, ist aber jetzt durch eine Tafel mit Veranstaltungshinweisen verdeckt. Der erste Stock wird mit lila Licht ausgeleuchtet, was der nicht renovierten Fassade einen gewissen Chic verleiht. Im Vorgarten, und das ist vielleicht der eigentliche Tipp, sitzen abendliche Besucher und essen original neapolitanische Pizza, die frisch aus dem hauseigenen Ofen kommt. Allerdings muss man früh kommen oder Geduld mitbringen: Gegen 23.30 Uhr wollte der Kellner keinen weiteren Tisch mehr nach draußen tragen, um neu ankommende Gäste zu bewirten.

Drinnen ist die Optik gewöhnungsbedürftig: lange Lamettafäden hängen an den Wänden, in den Ecken sind sie durch Neonlichter abgegrenzt. Den unteren Teil der Wände nehmen Wandvertäfelungen aus Holz ein. Zusammen ergibt das eine skurrile Mischung aus Alt und Neu. Die Tanzfläche beherrscht das Lokal, am Freitagabend voriger Woche drehte ein Dutzend Pärchen Runden zu original nicht mehr ganz frischen deutschen Schlagern, aufgelegt von DJane Clärchen. Die Zeit scheint im Ballhaus Mitte stehen geblieben zu sein. Wer Lust hat, das Erlernte aus seinen Tanzstunden zu Musik aus Vaters Zeiten auszuprobieren, ist hier sicherlich nicht an der verkehrten Adresse.

Ballhaus Mitte, Auguststr. 24, Mitte, täglich ab 12 Uhr geöffnet, freitags und samstags ab 20 Uhr Schwof mit DJ Clärchen, Eintritt frei, Garderobe 1 Euro, www.ballhaus-mitte.de.

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