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Berlin: Tanzen in der Grauzone: Viele Clubs in Mitte haben eigentlich keine Lizenz als "Vergnügungsstätte"

Vor allem durch die Nacht schwärmende Zugereiste, die in den ersten Jahren nach dem Mauerfall durch Berlin-Mitte wanderten, kamen oft aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Ob so zentral wie in den Hinterhöfen der Oranienburger Straße, oder in den abgelegeneren Mulack-, Linien- oder Kleinen Rosenthaler Straße: Allerorten stieß man in mehr oder weniger abbruchreifen Häusern auf Clubs oder Clübchen, die außer einer Theke, ein paar Stühlen und zwei Plattentellern nicht viel vorweisen konnten, was gemeinhin zu einer Lokalität gehört. Dennoch - oder gerade deswegen - gehörten diese Bars, die oft nicht mal einen Namen hatten, lange zu dem Beliebtesten, was Berlins Nachtleben zu bieten hatte.

Vor allem durch die Nacht schwärmende Zugereiste, die in den ersten Jahren nach dem Mauerfall durch Berlin-Mitte wanderten, kamen oft aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Ob so zentral wie in den Hinterhöfen der Oranienburger Straße, oder in den abgelegeneren Mulack-, Linien- oder Kleinen Rosenthaler Straße: Allerorten stieß man in mehr oder weniger abbruchreifen Häusern auf Clubs oder Clübchen, die außer einer Theke, ein paar Stühlen und zwei Plattentellern nicht viel vorweisen konnten, was gemeinhin zu einer Lokalität gehört. Dennoch - oder gerade deswegen - gehörten diese Bars, die oft nicht mal einen Namen hatten, lange zu dem Beliebtesten, was Berlins Nachtleben zu bieten hatte.

Inzwischen ist die Anzahl der Clubs und Bars, die überhaupt keine Lizenz vorweisen können, in Mitte drastisch gesunken. Zwar halten sich einige wie durch ein Wunder und trotz der Erwähnung in mehreren Reiseführern bereits seit zehn Jahren; öffnen andere immer wieder einmal für wenige Wochen und ziehen weiter - dennoch haben unangemeldete Besuche durch die Bauaufsicht oder das Umweltamt viele der ehemaligen Betreiber schließlich abgeschreckt.

Geblieben ist jedoch die Tatsache, dass nach wie vor viele Bars in Mitte in einer rechtlichen Grauzone operieren. Formaljuristisch unterscheiden die Bezirksämter zwischen "Schank- und Speisewirtschaften" und "Vergnügungsstätten". Über lange Jahre war das Bezirksamt Mitte relativ freigiebig mit beiden Konzessionen umgegangen - bis es im Herbst 1997 zum Eklat kam, als jugendliche Hip-Hoper sich an mehreren Wochenende in Folge auf der Rosenthaler Straße wilde Gefechte mit der Polizei liefen. Als der Verdacht aufkam, bei den Randalierern handle es sich um Gäste der Tanzschule Schmidt, fiel der Schwindel auf: Bei der Tanzschule, deren Betreiberin Sibylle Schmidt in den 80er Jahren bereits den legendären Club Blockshock in West-Berlin geleitet hatte, handelte es sich eben nicht in erster Linie um eine Tanzschule, sondern um einen Partyveranstalter. Zwar verwies Schmidts Anwalt auf eine Reihe von Clubs in der Nähe, bei denen es sich nicht wirklich um Galerien oder Akademien handelte, doch vergeblich: die Tanzschule Schmidt wurde versiegelt.

Wegen der Ereignisse und des Drucks der Anwohner setzte man sich im Bezirksamt kurze Zeit später an einen neuen Bebauungsplan. Dieser teilt das Viertel zwischen Oranienburger und Linienstraße fast ausschließlich in "Allgemeine Wohngebiete" und "Besondere Wohngebiete" auf. Lediglich das Areal unmittelbar an den Hackeschen Höfe gilt als "Kerngebiet". In den Wohngebieten sind Neueröffnungen seither nur noch als "Schank- und Speisewirtschaft" zulässig. Neue Clubs sind passé.

Allerdings gibt es auch Bestandsschutz oder Ausnahmen für Läden, die aus finanziellen oder baurechtlichen Gründen nie zur "Vergnügungsstätte" werden wollten. So gelten auch Alteingesessene wie das "Zosch" oder der "Sophienclub" als Kneipe mit Sondererlaubnis für "Live-Musik im Hintergrund" oder "artistische Darbietungen". Im Zosch in der Tucholskystraße gibt man auch unumwunden zu, dass man die Anforderungen an den Schallschutz als "Vergnügungsstätte" mutmaßlich nicht hätte erfüllen können. Andererseits, so heißt es nicht nur im "Zosch", sondern auch von den Bewohnern des Nachbarhauses, habe es auch erst selten Ärger mit Nachbarn gegeben.

Überhaupt scheinen die Anwohner des Karrees an August- und Linienstraße mehr ertragen zu können, als die der Gegend um den Hackeschen Markt. "Wer hier wohnt, kommt manchmal überhaupt nicht zur Ruhe", sagt eine Frau, die an der Rosenthaler Straße wohnt. "Das Schlimmste ist ja nicht einmal die Musik", erzählt sie, "sondern das Palaver auf der Straße, die knallenden Türen und die Parkplatzsuche."

Mittes Wirtschaftsstadtrat Jens-Peter Heuer (PDS) weist den Vorwurf, das Bezirksamt Mitte dulde jede Menge eigentlich illegaler Clubs, weit von sich. "Sowohl das Landeskriminalamt als auch wir werden durchaus tätig, wenn uns Beschwerden zu Ohren kommen." Dass es Betreiber gibt, die zunächst alle sieben an der Konzessionsvergabe beteiligten Ämter durch ihre Kneipe führen, um zwei Wochen später Tische und Stühle zu Gunsten einer Tanzfläche zur Seite zu räumen, weiß auch er. Dennoch seien die Grenzen im Einzelfall fließend. Eine Bar mit DJ sei eben noch lange keine Vergnügungsstätte. Einzig sicheres Kriterium ist die Größe einer Tanzfläche. Und, was viele auch nicht wissen: Mit der Lizenz als Vergnügunsstätte ändert sich weder etwas an der Lautstärke, die im Nachbarhaus zu hören sein darf, noch an den Öffnungszeiten. "Im wesentlichen", so Heuer, "geht man davon aus, dass Vergnügungsstätten ein größeres Publikum anziehen als Kneipen und Restaurants." Doch ob das in einem Gebiet mit 9000 Kneipenplätzen für 7300 Einwohner noch Gültigkeit hat, sei dahingestellt.

Jeannette Goddar

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