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Berlin: Tausende frustriert im Stau – aber Polizei muss Demos zulassen

Von Jörn Hasselmann und Sigrid Kneist Die Protestmärsche der Gewerkschaft Verdi und IG Bau stoppten gestern zehntausende Autofahrer in der Stadtmitte. Nicht nur am Potsdamer Platz, wie von der Polizei angekündigt, stauten sich die Autos: Der Stau begann schon am Schlesischen Tor und an der Martin-Luther-Straße, berichteten empörte Autofahrer – und die Warnungen im Verkehrsfunk seien dürftig gewesen.

Von Jörn Hasselmann

und Sigrid Kneist

Die Protestmärsche der Gewerkschaft Verdi und IG Bau stoppten gestern zehntausende Autofahrer in der Stadtmitte. Nicht nur am Potsdamer Platz, wie von der Polizei angekündigt, stauten sich die Autos: Der Stau begann schon am Schlesischen Tor und an der Martin-Luther-Straße, berichteten empörte Autofahrer – und die Warnungen im Verkehrsfunk seien dürftig gewesen.

„Ich habe eine Stunde vertrödelt“, klagte ein Charlottenburger. Für die Polizei sind Verkehrsbehinderungen kein Grund, eine Demonstration zu verlegen. „Wir haben keine Sanktionsmöglichkeiten“, heißt es in der Versammlungsbehörde. In diesem Jahr steht der Stadt zudem ein neuer Rekord bevor: In den ersten vier Monaten dieses Jahres gab es 785 Demos und Kundgebungen.

Bei jeder Anmeldung wägt die Polizei zwischen dem Anliegen der Demo und möglichen Folgen ab. Auflagen werden fast nie erteilt. Nur wenn ein Aufmarsch mit einem Straßenfest oder einer anderen Demo ins Gehege kommt, sucht die Versammlungsbehörde – eine Abteilung der Polizei – gemeinsam mit dem Veranstalter eine Alternative.

Offensichtlich sperrten die Polizisten der zuständigen Direktion 3 gestern zum Schutz der Verdi-Demonstranten mehr Straßen als geplant, zum Beispiel die Tiergartenstraße. Davon allerdings wusste der Verkehrswarndienst der Polizei nichts, der die Radiosender über Staus und Sperrungen informiert. Gestern verschärfte ein Wasserrohrbruch in der Bachstraße in Tiergarten die Lage. So kamen Tausende zu spät zur Arbeit. Die Polizei bestätigte, dass sich regelmäßig Autofahrer beschweren. Tenor: „Wie könnt ihr nur so einen Quatsch genehmigen?“ Doch die Polizei kümmert sich nicht um den Inhalt: „Wir dürfen das Thema nicht bewerten“, sagte eine leitende Beamtin.

Seit der Wende hat sich Berlins Demo-Zentrum vom Ku’damm in die neue Mitte verlagert, sagt die Polizei. Geschäftsleute eben dort beklagen aber weiterhin die Häufung von Aufmärschen vor ihren Schaufenstern – auch heute wird auf dem Ku’damm demonstriert: „Für die Abschaffung der Jagd“. Doch die Gerichte hatten den Kaufleuten schon in den 80er Jahren beschieden, dass Demos hingenommen werden müssen – das gilt auch für Autofahrer.

Doch nur ein kleiner Teil der Demos (2001 waren es 2360!) legt die Stadt lahm wie gestern die Gewerkschafts-Aufmärsche; die meisten bestehen nur aus einer Handvoll Teilnehmer. Zu der Demonstration für das Tarifgetreuegesetz gestern Vormittag hatten die Gewerkschaften Verdi und IG Bau bundesweit aufgerufen. Nach Gewerkschaftsangaben waren dem Aufruf 20 000 Gewerkschafter gefolgt. Allein die IG Bau hatte die Demonstranten mit 500 Bussen nach Berlin gebracht. Mit ihrer Kundgebung am Potsdamer Platz wollten die Gewerkschaften Druck auf die Mitglieder des Bundesrates ausüben, die unweit davon entfernt über das Tariftreuegesetz der Bundesregierung berieten. Der Protest blieb erfolglos, die unionsgeführten Länder kippten das Gesetz und riefen den Vermittlungsausschuss an.

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