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Berlin: Tausende Mini-Jobber gaben auf - nach der Gesetzesänderung vor knapp einem Jahr klagen Dienstleister und Vereine über fehlendes Personal

Vereinschef Siegfried Jünemann stöhnt immer noch: Durch die Neuregelung bei den 630-Mark-Jobs wurde sein Verein BFC Preussen arg gebeutelt. Drei Trainer, zwei Putzfrauen, ein Platzwart gaben ihre Tätigkeit für den Lankwitzer Verein auf.

Vereinschef Siegfried Jünemann stöhnt immer noch: Durch die Neuregelung bei den 630-Mark-Jobs wurde sein Verein BFC Preussen arg gebeutelt. Drei Trainer, zwei Putzfrauen, ein Platzwart gaben ihre Tätigkeit für den Lankwitzer Verein auf. Seitdem muss sich der Klub mit Rentnerinnen behelfen. Und mangels Trainingskapazitäten gibt es in einigen Abteilungen einen Aufnahmestopp.

Vor einem Jahr war die Aufregung groß: Ganze Branchen sahen sich vor existenziellen Problemen. Entgegen früheren Regelungen mussten nun statt der vom Arbeitgeber gezahlten pauschalen Lohnsteuer Beiträge an die Rentenversicherungen und die Krankenkassen abgeführt sowie in vielen Fällen der Lohn versteuert werden. Vor allem Gastronomen und Gebäudereiniger fürchteten, ihre Dienste mangels Personal nicht mehr anbieten zu können. Auch Sportvereine schlugen Alarm: Ein großer Teil der Übungsleiter war auf Mini-Job-Basis tätig. Inzwischen hat sich die Aufregung zwar gelegt, die Positionen sind jedoch unverändert geblieben. Während Wirtschaftsverbände und Innungen weiterhin über die Entwicklungen klagen, sehen sozialdemokratische Arbeitsmarktpolitiker sowie Gewerkschaften durchaus positive Effekte.

Für die Berliner Hotel- und Gaststätteninnung hält Präsident Peter Härig die Auswirkungen für "absolut negativ". Viele Mini-Jobber hätten ihre Nebentätigkeit aufgegeben, da sie sich für sie nicht mehr gelohnt habe. "Wir haben eine Menge Mitarbeiter verloren", sagt Härig. Es habe auch nur wenig Neueinstellungen gegeben. Genaue Zahlen konnte Härig noch nicht nennen. In besonderem Maße seien die Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. In manchen Betrieben habe es dazu geführt, dass verschiedene Dienstleistungen ausgegliedert und über Fremdfirmen ausgeführt wurden, etwa beim Wachschutz oder beim Zimmerservice.

Beim Berliner Gebäudereiniger-Gewerbe hätten 4000 Mini-Jobber ihre Tätigkeit aufgegeben, sagt Innungssprecher Ortwin Semmerow. Teilweise seien sie durch neue Mitarbeiter ersetzt worden, auch einige reguläre Arbeitsverhältnisse seien gegründet worden. Genauere Angaben ließen sich aber noch nicht machen. Die gesetzliche Regelungen habe aber erhebliche Schwierigkeiten für die Unternehmen mit sich gebracht.

Nach Auffassung der Unternehmensverbände hat es auch klare Verdrängungseffekte in Richtung Schwarzarbeit gegeben. Zudem sei es der sozialpolitisch falsche Ansatz, die Menschen in die "Sozialversicherungspflicht zu zwingen", sagt der Sprecher der Unternehmensverbände, Klaus-Hubert Fugger. Zudem bringe dies einen viel zu großen bürokratischen Aufwand mit sich.

Von "fatalen Folgen" für den Sport spricht der Sprecher des Landessportbundes Dietmar Bothe, die Neuregelungen hätten sich in den Vereinen sowohl bei den Übungsleitern als auch beim technischen Personal und den Geschäftsstellenmitarbeitern ausgewirkt. Viele Clubs hätten ihre Leistungen einschränken müssen.

Im Haus von Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) sieht man die Situation positiver. Sowohl bei den Rentenversicherungen als auch den Krankenkassen habe es durch die Sozialversicherungspflicht Zuwächse gegeben, sagt Sprecher Klaus-Peter Florian. Allein für den November letzten Jahres habe die Berliner Landesversicherungsanstalt rund 2,5 Millionen Mark Mehreinnahmen durch die 630-Mark-Jobs zu erwarten. Wichtig sei auch gewesen, die Entwicklung der Vorjahre zu stoppen, in denen die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stetig gestiegen war. "Der wirkliche Jobkiller war die vorherige Regelung", sagt Florian. So seien 1994 bis 1998 im Einzelhandel bundesweit 222 000 Stellen abgebaut worden, die Zahl der Mini-Jobs hingegen um 300 000 gestiegen. Beim DGB ist man ebenfalls der Meinung, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Dem Ausbluten der Sozialkassen werde entgegengewirkt. Gleichzeitig zeige sich, dass eine Dienstleistungsgesellschaft qualifizierte Arbeitskräfte brauche, die es allein über "McJobs" nicht gebe.

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