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Berlin: Tausende von Staatsdienern arbeiten auch noch nebenbei

Polizisten als Krankenpfleger / Grüne schlagen Anrechnung vor / Innensenator lehnt abVON HANS TOEPPENBERLIN. Ein Schöneberger Lehrer hat seiner Senatorin Hanna-Renate Laurien schon 1988 bewiesen, wo es für manche Staatsdiener langgeht: Vor dem Oberverwaltungsgericht setzte er sein Recht durch, abends in "Nebentätigkeit" noch an einer anderen Schule zu unterrichten.

Polizisten als Krankenpfleger / Grüne schlagen Anrechnung vor / Innensenator lehnt abVON HANS TOEPPENBERLIN. Ein Schöneberger Lehrer hat seiner Senatorin Hanna-Renate Laurien schon 1988 bewiesen, wo es für manche Staatsdiener langgeht: Vor dem Oberverwaltungsgericht setzte er sein Recht durch, abends in "Nebentätigkeit" noch an einer anderen Schule zu unterrichten.Laurien hatte den aktiven Pädagogen und ähnlich arbeitsame Kollegen stoppen wollen, um lieber arbeitslosen Junglehrern ein wenig Arbeit zu verschaffen.Vergeblich.Seitdem hat sich wenig geändert.Tausende von öffentlich Bediensteten gehen Nebentätigkeiten nach, wie der grüne Abgeordnete Norbert Schellberg sich gerade vom Senat bestätigen ließ: Juristen, Wissenschaftler, Lehrer, Finanzbeamte.Polizisten gelten als besonders einfallsreiche Nebenverdiener.Die Grünen schlugen gestern vor, solche Nebentätigkeiten aus arbeitsmarktpolitischen Gründen auf das "Hauptamt" anzurechnen.Im Klartext: Dafür weniger Geld vom Staat. Schellberg argumentiert so: In einer Zeit, in der die Verwaltung sich intensiv bemühe, Teilzeit-Beschäftigungen zu fördern, seien Nebentätigkeiten auf Vollzeit-Arbeitsplätzen nicht zu vertreten - eine "Privilegierung von Arbeitsplatz-Inhabern".Wenn bei einer Nebentätigkeit aber die normale Arbeitszeit und Bezahlung reduziert würde, wäre es den Bündnisgrünen "egal", wieviel einer nebenbei verdient, "da sind wir großzügig, es könnte auch die Hälfte der normalen Arbeitszeit sein".Bedingung wäre eine Änderung des Landesbeamtesgesetzes. Der vom Innensenator abgelehnte Vorschlag, der komplizierte Kontrollen nach sich ziehen müßte, zäumt das umstrittene Thema von einer neuen Seite auf.Schon in den 80er Jahren hatte die SPD im Bundestag vergeblich versucht, Nebentätigkeiten für Beamte an arbeitsmarktpolitische oder wirtschaftspolitische Ziele zu koppeln und notfalls zu versagen.Die Aktionsgemeinschaft wirtschaftlicher Mittelstand hat damals errechnet, daß allein durch den Abschluß von Versicherungsverträgen in der Dienstzeit Arbeitsausfälle von 60 Millionen Mark im Jahr entstanden seien.Regierung und Opposition waren sich seinerzeit einig, daß es wenigstens keine Nebentätigkeit mehr innnerhalb der Arbeitszeit geben soll. Gegen arbeitsmarktpolitische Begrenzungen machte die Union aber verfassungsrechtliche Bedenken geltend.Auch der Senat hat jetzt argumentiert, daß eine scharfe Beschränkung "gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit" verstoßen würde.Und so gibt es eine Fülle von Nebentätigkeiten.Bei der Justiz liegt relativ das Arbeitsgericht in Führung.Dort hatten im vorigen Jahr 28 Richter der ersten Instanz insgesamt 100 Nebentätigkeiten, die "nicht im dienstlichen Interesse liegen".In der zweiten Instanz brachten es elf Richter auf 61 Neben-Aktivitäten.Von den 9700 Finanzbeamten besitzen 700 eine Nebentätigkeitsgenehmigung.Von den 35 000 Lehrern sind es 830.Bei der Polizei waren es 626, von denen sich nur gut 100 mit Lehr- und Unterrichtstätigkeit im dienstlichen Interesse bewegten.Der Rest ist nach Angaben von Innensenator Schönbohm so "vielschichtig", daß kein Gesamtkatalog aufgestellt werden kann.Der Senator beschränkte sich auf Fälle, in denen "neben dem privaten Interesse zumindest teilweise auch ein allgemein öffentlichtes Interesse" angenommen werden könne: Polizisten, die sich als Rettungssanitäter, Krankenpfleger oder Gebrechlichkeitspfleger etwas dazu verdienen.Das gibt es auch nach der Pensionierung.Die Leitende Kriminaldirektorin Ellen Karau, die mit 51 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand ging, wurde kurz darauf Sicherheitsbeauftragte der S-Bahn.

HANS TOEPPEN

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