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Berlin: Tausendmal ist nichts passiert

Der Verwarnungsgeldkatalog sieht empfindliche Geldbußen für kleine Delikte vor, doch sie werden selten geahndet. Pro & Contra: Soll die Polizei härter durchgreifen?

Es sind 66 eng bedruckte Seiten, sozusagen die Berliner Preisliste für schlechtes Benehmen: der Verwarnungsgeldkatalog. Darin steht, was nicht erlaubt ist und was es kostet, es dennoch zu tun. Auf der Straße sitzen und Alkohol trinken zum Beispiel. Hassos Hundehaufen einfach liegen lassen. Gegen eine Hauswand oder ins Gebüsch pinkeln. Lauter Verstöße, die täglich tausendfach passieren, um deren Verfolgung sich aber niemand kümmert. „Sie können nicht hinter jeden Busch einen Polizisten stellen“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Lindner dazu, und seine Politiker-Kollegen sind mit ihm einig. Auch die zuständigen Ordnungsämter haben keine Leute übrig, die sie auf Streife schicken könnten.

Es gibt die Vorschriften aber nun einmal. „Der Rechtsstaat macht sich lächerlich, wenn er lauter Gesetze produziert, die er nicht durchsetzt“, meint Lindner. Und der SPD-Rechtspolitiker Hans-Georg Lorenz gibt ihm Recht: „Was die Exkremente der Hunde angeht, müsste der Staat schon härter durchgreifen.“ Manche Sandkästen auf Kinderspielplätzen seien voll davon, und das sei ja nun wirklich sehr unschön. „Aber dann muss die Öffentlichkeit dem Beamten auch moralische Unterstützung geben“, fordert Lorenz. „Dann darf es kein Mitleid für den armen Arbeitslosen geben, dem dafür ein Bußgeld abgenommen wird.“ Lindner und Lorenz sind einig, dass es sich beim schlechten Benehmen vieler Berliner um eine Frage des Bewusstseins handelt. „Eine Debatte über unsere Außendarstellung ist eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagt Lindner. Lorenz fügt hinzu: „In manchen Gruppen sehen die Hunde gepflegter aus als die Menschen.“ Beider Vorschlag: Auf ein paar wesentliche Regeln sollte sich die Gesellschaft einigen, und die sind dann auch einzuhalten. Was allzu speziell ist, sollte abgeschafft werden.

Lorenz und der CDU-Rechtspolitiker Michael Braun stimmen darin überein, dass Ordnungshüter die direkte Auseinandersetzung mit den Delinquenten scheuen. „Der Polizist macht lieber nachts ein Knöllchen ans Auto als Verstöße am Tage direkt zu verfolgen“, mutmaßt Lorenz. Braun kann das manchmal sogar verstehen: „Stellen Sie sich einen Bodybuilder mit Pitbull vor, und auf der anderen Seite eine zierliche Polizistin. Da ist es doch menschlich, sich nicht mit dem anzulegen.“

Fatina Keilani

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