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Berlin: Taxi nach Bagdad

Hier sind alle gegen den Krieg: Ein Kreuzberger Lokal trägt den Namen der irakischen Hauptstadt

„Hier sind alle gegen den Krieg“, sagt Chatman, der hier im Döner-Imbiss „Bagdad“ bedient. Auf einem Tisch liegen Zettel aus: „Wrangelkiez gegen den Krieg“. Wenn trotzdem Bomben auf Bagdad fallen, wird im Bagdad am Schlesischen Tor „Business as usual“ sein, glaubt Chatman. Bis jetzt habe die Krise noch keine zusätzliche Kundschaft in den Imbiss mit den gekachelten Orient-Spitzgiebeln gelockt. Der Laden läuft auch so.

Das Bagdad gilt als eine kulinarische Bastion im Kreuzberger Kiez. Und weit darüber hinaus. Wenn jemand am Zoo ins Taxi steigt und „nach Bagdad“ will, wird er ohne Nachfrage sofort ans Schlesische Tor gefahren. So erzählen sie es hier, und sie sind stolz darauf.

Vor Wochen, sagt Chatman, hätten mal ein paar Antikriegs-Protestler eine Show vor dem Laden abgezogen, aus Solidarität mit den Irakern. Nur leider kommt hier keiner aus dem Irak. „Alles Türken“, grinst Chatman. Der Vorbesitzer sei wohl aus dem Irak gewesen. Als der Vorbesitzer ging, verlor der Name zwar seine Berechtigung – seinen guten Klang aber nicht.

„Döner macht schöner“, sagen sie den Kunden hier. Die schauen kritisch auf die Drehspieße, schnüffeln ein wenig, inspizieren die Preise und übersehen völlig, wo sie sind. Plattenlabelpraktikant Marduk erfuhr von seinen Kollegen, dass es hier den „besten Döner der ganzen Gegend“ zu futtern gibt. Da ist er halt hingegangen zum Bagdad-Imbiss. Einfach so, ohne sich einen Kopf zu machen, was das bedeuten könnte. Dabei kommt sein Vater aus dem Iran, und das Plattenlabel heißt „Royal Bunker“.

Margitta aus Lichterfelde dachte bei Bagdad gar nicht an den Irak, sondern an Tausendundeine Nacht. Bagdad existiert nur in ihrer Phantasie, bewohnt von Sindbad, dem Seefahrer, Aladin und allerlei Basarpersonal. So ein waffenstarrender Saddam passt da gar nicht ins Bild. „Grauenhaft“ findet sie die Idee, bald Bomben auf Bagdad zu werfen, auf Sindbad und Aladin.

Bagdads Spezialität ist der Holzkohlengrill im Restaurant nebenan. Kellner Mustafa Yilmaz, fein herausgeputzt mit grauer Weste, Schlips und Stoffhose, wartet auf Gäste. „80 Prozent Deutsche, 20 Prozent Türken“, kehren hier ein, Araber kommen nur selten. Türken und Araber, das weiß man, mögen sich nicht besonders. Keiner der Bagdad-Mitarbeiter war jemals im Irak. „Wer es sich als Türke leisten kann, fliegt nach Florida“, sagt Herr Yilmaz. Aber immerhin – manchmal gibt es im Bagdad orientalischen Bauchtanz.

Drüben, im Imbiss, hat sich inzwischen ein österreichischer Aussteiger und Weltenbummler eingefunden – ohne Namen. Er schlürft Bohnensuppe und rät Saddam, gegen die amerikanische Bomberflotte „Friedenstauben“ einzusetzen. Ganz gezielt, damit sie in die Triebwerke geraten und alles zum Absturz bringen.

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