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Berlin: Technik, die entgeistert

Viele Senioren finden sich auf der diesjährigen Ifa gut zurecht. Unsere Autorin weniger

Wie ein Spiegel funkelt das ultraflache Handy in der Vitrine. „Das Z610i hat ein Display mit Spiegeleffekt. Das wird stark die Frauen ansprechen“, sagt die junge Hostess am Sony-Ericsson-Stand in Halle 4. Dann rattert sie alle technischen Details des Geräts herunter: UMTS, Videotelefonie, 2-Mega-Pixel-Kamera, volles HTML-Browsing, RSS-Feedreader, mobiles Blogging. Was die Dienstbeflissene nicht weiß: Schon beim Wort UMTS hat ihre Zuhörerin abgeschaltet. Die ist 64 und froh, dass sie ihr eigenes Handy bedienen kann. Und das (geschenkt bekommene) DVD-Gerät, wenn auch mit Hilfe eines Spickzettels.

Der heutige Ifa-Besuch ist ihr erster. Ziemlich alt kommt sie sich vor – nach dem verwirrenden Handy-Hightech-Auftakt landet sie ebenso ahnungslos in einem „Reseller Park“. Auf einem riesigen Flachbildschirm tobt dort gerade mit viel Action und Getöse der Schauspieler Til Schweiger in einem unbekannten Film herum. Davor sitzen drei junge Männer auf kleinen Hockern, und hinter ihnen steht auf einer Säule ein Gerät, das seitlich ziemliche Hitze ausstrahlt. Dank „Cinemike Tuning“ erlebe man die höchsten Klangdimensionen, ist daneben zu lesen. Auch, dass man zu sehr fairen Preisen bedient werde – ab 10 000 Euro. Mit der Frage, was genau hier so viel kostet – der gigantische Flachbildschirm oder das formschön gerundete Gerät auf der Säule, will man sich aber nun doch nicht blamieren.

Lieber fragt man eine etwa gleich alte Geschlechtsgenossin an einem anderen Stand, was denn in den kondomähnlichen Päckchen sei, nach denen in einer Schale alle grabschen. „Gummibärchen“, ist die lakonische Antwort – und die süße Gabe neben hochglanzlackierten Tüten und Kugelschreibern die begehrte Beute vor allem älterer Besucher.

„Ich gehe hier nur so rum“, sagt Waltraud Rohde aus Marzahn, „gucken, was es gibt.“ Technisch verstehe sie nichts und selbst braucht die 64-jährige Rentnerin ihr Handy nur zum Telefonieren. „Das reicht mir, alles andere überlasse ich den Jüngeren.“ Die verstehen auch nicht immer alles, sagt ein ehemaliger Industrienähmaschinenmechaniker aus Neukölln. Meist begreife man ja nicht mal die Gebrauchsanleitung. Heinz-Eckard Körber aus Treptow dagegen frönt auf der Messe seinem Hobby – er informiert sich über die neueste Computertechnik. „Man muss doch auf dem Laufenden bleiben“, sagt der in einem Sicherheitsdienst arbeitende 63-Jährige. „Vor 16 Jahren habe ich mich gegen Computer gewehrt, heute bin ich so süchtig danach wie andere nach Briefmarken.“

Das wird der Schreiberin wohl nie passieren. Nach zwei Ifa-Stunden mit viel Fachchinesisch wird sie beim Abschied dennoch glücklich – draußen auf dem Vorplatz mit einer Thüringer Rostbratwurst.

Heidemarie Mazuhn

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